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Gesellschaft

Ohrfeigen in Russland bald salonfähig?

25. Januar 2017

Häusliche Gewalt soll in Russland künftig deutlich milder bestraft werden. Die Duma billigte ein entsprechendes Gesetz. Die weiteren Hürden dürften die umstrittenen Regeln vermutlich auch noch nehmen.

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Symbolbild - Häusliche Gewalt
Bild: Colourbox/Photopqr/Le Republicain Lorrain/P. Brocard

Die Abgeordneten der Duma stimmten in zweiter Lesung für den Text, der nun nach einer dritten technischen Lesung noch dem Senat und dann Präsident Wladimir Putin vorgelegt werden muss. Das neue Gesetz reduziert die Strafen für Gewalt gegen Familienmitglieder bei Ersttätern, wenn die Gewaltanwendung nicht zu schweren Verletzungen führen. Statt als Straftat soll häusliche Gewalt künftig im Grundsatz nur als Ordnungswidrigkeit gewertet werden. Bislang waren dafür Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis vorgesehen, nun gelten Geldstrafen von umgerechnet bis zu 470 Euro.

Gewalt als traditionelle Erziehungsmethode

Das Parlament wies auch Vorschläge der Kommunistischen Partei zurück, Angriffe auf Kinder und Schwangere von den Abmilderungen der Strafe auszunehmen. Eine härtere Strafe soll laut Gesetzestext nur dann verhängt werden, wenn die Schläge mehr als einmal im Jahr vorkommen oder körperliche Schäden sichtbar sind.

Das Gesetz wird vor allem von konservativen Abgeordneten unterstützt, die argumentieren, dass Ersttäter auf diese Weise eine zweite Chance bekommen. Vor wenigen Tagen hatte die Vorsitzende des Familienausschusses, Jelena Misulina, argumentiert, Schläge seien ein adäquates Mittel zur Erziehung - und entsprächen der russischen Familientradition. "Wir wollen nicht, dass man zwei Jahre im Gefängnis sitzt, nur weil es einmal einen Klaps gegeben hat."

Bis zu 14.000 Frauen sterben an häuslicher Gewalt

Ihrer Ansicht nach hätten Eltern in vielen Fällen gar keine andere Wahl als die Kinder mit Gewalt auf den richtigen Weg zu bringen. "In Russland basieren die Familienwerte auf der Autorität der Eltern", sagt Misulina. Das neue Gesetz solle diese Tradition schützen.

Nach Angaben der russischen Regierung werden nach der jüngsten Statistik aus dem Jahr 2013 rund 40 Prozent der Körperverletzungen innerhalb der eigenen vier Wände verursacht. 36.000 Frauen leiden in Russland jeden Tag unter den Schlägen ihrer Männer, 26.000 Kinder werden täglich von ihren Eltern misshandelt. Knapp alle 40 Minuten kommt eine Frau durch häusliche Gewalt ums Leben, insgesamt sterben deswegen pro Jahr in Russland zwischen 12.000 und 14.000 Frauen.

Symbolbild - Gewalt gegen Frauen
Laut Angaben der russischen Regierung sterben pro Jahr bis zu 14.000 Frauen an häuslicher GewaltBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

"Wenn er dich schlägt, dann liebt er dich"

Neuere offizielle Zahlen sind nicht bekannt - lediglich Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen wie der Moskauer Initiative "Schwestern". Viele Fälle werden auch nicht bekannt, denn häusliche Gewalt ist in Russlands patriarchalisch geprägter Gesellschaft ein absolutes Tabuthema, eine öffentliche Diskussion über häusliche Gewalt findet kaum statt.

Eine Umfrage vom Januar ergab, dass 19 Prozent der befragten Russen der Ansicht sind, dass Gewalt gegen Kinder oder Partner unter gewissen Umständen akzeptabel ist. Ein Sprichwort lautet sogar: "Wenn er dich schlägt, heißt das, er liebt dich."

cw/haz (dpa, rtre, ape)