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Geheimdienste

Thomas Bärthlein, zurzeit in Karatschi25. Februar 2008

Bei den Parlamentswahlen in Pakistan hielten sich Militär und Geheimdienste auffallend stark zurück. Doch auch in einem neuen, demokratischeren Pakistan werden die beiden Stützen des Staates einflussreich bleiben.

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Zweier uniformierte Generäle salutieren einander (Quelle: AP)
Neue Aufteilung: Seit 2007 ist Präsident Musharraf nicht mehr gleichzeitig ArmeechefBild: AP

Pakistan stellt sich nach den Wahlen vom 18. Februar auf eine gemeinsame Regierung der demokratischen Parteien ein. Premierminister soll Makhdoom Amin Fahim von der Pakistan People’s Party (PPP) werden. Besonders die andere große Partei, die Muslim-Liga von Nawaz Sharif, fordert vehement den Rücktritt von Präsident Musharraf, so dass ein Machtkampf zwischen Präsident und Regierung vorprogrammiert ist. Noch komplizierter wird das politische Kräftespiel durch die Armee, die nach Musharrafs Rücktritt als Oberbefehlshaber von dem von Musharraf ernannten Generalstabschef Ashfaq Pervez Kiyani geführt wird. Wie wird sie sich in der neuen Situation verhalten?

Mit Orden dekorierter uniformierter General (Quelle: AP)
Geordneter Rückzug: Der neue Armeechef Kiyani meidet die InnenpolitikBild: AP

Etwa die Hälfte seiner 60jährigen Geschichte ist Pakistan direkt von der Armee regiert worden. Aber auch in der übrigen Zeit spielte das Militär eine einflussreiche Rolle im Hintergrund. Insbesondere die vom Militär dominierten Geheimdienste MI (Military Intelligence) und ISI (Inter-Services Intelligence) manipulierten den politischen Prozess, indem sie zum Beispiel Koalitionen stifteten. "Es ist eine Tatsache, dass die Geheimdienste eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung und der Destabilisierung von Regierungen spielen", sagt Munir Ahmed, Autor eines Standardwerks über die pakistanischen Geheimdienste.

Zurzeit ist eine solche Rolle allerdings nicht sichtbar. Im Gegenteil: dass es bei den Parlamentswahlen entgegen vieler Befürchtungen nicht zu massiven Fälschungen der Stimmauszählung kam, führen viele Beobachter auf die bewusste Entscheidung der Armeeführung zurück, neutral zu bleiben.

Keine Wahlfälschungen

Auch der ehemalige ISI-Chef Hamid Gul bestätigt diese Version. Musharraf habe frühere Wahlen durch den militärischen Geheimdienst MI fälschen lassen, diesmal habe sich Kiyani aber geweigert, die Musharraf-nahe PML-Q zu bevorzugen: "Der Kollaps der 'Königspartei' PML-Q lag zum großen Teil daran, dass die MI zurückgezogen wurde. Und dadurch hingen diese Leute in der Luft! Sie haben selber vor Ort ein bisschen manipuliert, aber wurden trotzdem weggefegt", erklärt Gul.

Ashfaq Kiyani verdankt zwar Musharraf seinen Posten als Armeechef, aber das garantiere noch lange nicht seine bedingungslose Loyalität, meint auch Munir Ahmed. Da habe es schon ganz andere Fälle in der pakistanischen Geschichte gegeben: "Es gibt Beispiele wie Benazir Bhuttos Vater, der Zia ul-Haq beförderte, und Zia hat ihn gehängt! Ich glaube nicht, dass Kiyani sich als Hüter von Musharrafs Interessen versteht." Dem Generalsstabschef ginge es vielmehr darum, die beschädigte Institution der Armee zu retten, erklärt der Buchautor. Die Wahlen seien akzeptabel gelaufen, weil Kyiani die Geheimdienstchefs angewiesen habe, nicht zu fälschen.

Reaktion auf schlechtes Image der Armee

Uniformierte Soldaten stehen in einer Reihe (Quelle: AP)
Pakistans Soldaten haben in der Bevölkerung ein schlechtes ImageBild: AP

Kiyanis Präferenz für einen Rückzug aus der Politik deutete sich bereits in verschiedenen Stellungnahmen vor den Wahlen an. Der Armeechef reagiert damit auf verbreiteten Unmut in der Truppe über ihr schlechtes Image - denn die Soldaten werden mit Musharrafs Politik gleichgesetzt. Der Armee-Einsatz in den paschtunischen Stammesgebieten an der afghanischen Grenze hat überdies alle Soldaten landesweit zu potenziellen Zielen für Bomben und Selbstmord-Attentäter gemacht. Die Moral der Soldaten sei auf dem Tiefpunkt, sagt Munir Ahmed: "Es ist soweit gekommen in Pakistan, dass Uniformierte Angst haben, in ihren Dienstwagen herumzufahren. Sie nehmen lieber Privatautos, aus Angst vor Angriffen."

Hamid Gul verweigert als Ex-General jeden Kommentar über die Moral der Truppe. "Ich denke, die Armee hat schlechte Erfahrungen damit gemacht, in den letzten 60 Jahren in die Politik verwickelt gewesen zu sein. Und ich hoffe, sie haben ihre Lektion gelernt", sagt er. Zumindest in den Führungsrängen schiene es, dass sich das Militär von der Innenpolitik fernhalten wolle.

Rückzug, aber keine Niederlage

Viel hängt nun davon ab, wie die bisherige Opposition die Regierungsgeschäfte führen wird. "Wenn die sich untereinander zerstreiten, schaffen sie damit leider wieder einen politischen Spielraum für einen in der Verfassung nicht vorgesehenen Akteur", sagt Gul. Musharrafs Coup muss also nicht der letzte gewesen sein. Und obwohl Medien und Zivilgesellschaft mehr Transparenz garantieren, bleiben die Geheimdienste ein wichtiger Akteur in der pakistanischen Politik, meint Munir Ahmed: "Diese Leute sind gut ausgebildet, raffiniert und flexibel. Für sie wird es ein Rückzug sein, aber keine Niederlage!"