1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Militanter Protest gegen Raumschiff Brüssel

Alexander Kudascheff8. Januar 2004

Erst eins, dann zwei, dann drei... Es hagelt Briefbomben in europäischen Institutionen. Mittlerweile kann Brüssel den explosiven Protest nicht mehr ignorieren.

https://p.dw.com/p/4Wpn

Am Anfang hat man es selbst im sonst immer aufgeregten Brüssel nicht so richtig ernst genommen: das Briefbombenattentat gegen Kommissionspräsident Romano Prodi. Doch dann folgte eine Serie von Briefbomben - auch gegen den Chef der europäischen Zentralbank in Frankfurt (EZB) Jean-Claude Trichet, gegen Europol und Eurojust, die europäische Staatsanwaltschaft, und dann auch noch gegen EU-Parlamentarier wie gegen den mächtigen deutschen Fraktionschef der Europäischen Volkspartei Hans-Gert Pöttering.

Alle Spuren führen nach Bologna

Ist also plötzlich die EU, sind ihre Institutionen im Fadenkreuz von anonymen, hinterhältigen Terroristen, die wahrscheinlich eher erschrecken als töten wollen? Es sieht so aus. Die Spuren führen jedenfalls zurzeit alle nach Bologna.

Bologna, das rote Bologna, war einst die Hochburg der italienischen Kommunisten, die immer reformerischer waren als alle anderen. Heute ist das alles eher vergessene als glorreiche Vergangenheit. Aber: Im roten Bologna hat sich zumindest ein militantes, ein linksaußen Milieu gebildet, das im Umfeld von Globalisierungsgegner agiert und agitiert.

Hier ist wahrscheinlich die Gruppe mit dem merkwürdigen Namen "Vereinigung informeller Anarchisten" zu Hause. Der Name ist insofern merkwürdig, da formelle Anarchisten ein Widerspruch an sich sind.

Immerhin: Es gibt Bekennerschreiben - also muss man die Gruppe ernst nehmen, auch wenn es sich vielleicht nur um ein Grüppchen, eine kleine Zelle, vielleicht sogar nur einen Einzelgänger handelt. Immerhin: Die Wirkung der Briefbomben ist anscheinend genau berechnet. Sie soll erschrecken, sie soll aber nicht verletzen, schon gar nicht töten.

Fingerzeig gegen Europa

Es geht wohl um ein Menetekel, einen Fingerzeig. Er richtet sich gegen die EU als Institution, die - auch aus der Sicht der meisten Globalisierungsgegner - genauso die hässliche Fratze des Kapitalismus repräsentiert wie beispielsweise die USA.

Und natürlich wollen militante Globalisierungsgegner die Festung Europa schleifen, die sich als Wagenburg gegen Flüchtlinge aus aller Welt abschottet (deswegen wahrscheinlich die Briefbomben gegen Europol und Eurojust). Aber das sind trotzdem alles nur Vermutungen.

Doch sicher ist eins: Die Briefbomben beunruhigen Europa, die Union, vor allem Brüssel, das über noch bessere Sicherheitsmaßnahmen nachdenkt. Und sicher ist auch: Es gibt einen militanten Protest gegen Europa von rechts wie von links übrigens, über den man gerne wegschaut im Raumschiff Brüssel. Aber das ist nach der Bombenserie wohl nicht mehr möglich.