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Was kostet die Kunst?

23. November 2011

Die Wiener Kunsthistorikerin Jacqueline Nowikovsky untersucht, wie Kunstwerke zu ihren Preisen kommen. Ihre Antworten verweisen auf ein Geflecht verschiedener Akteure des Kunstmarktes. Künstler sind nur selten dabei.

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Versteigerung bei Sotheby's (Foto: dpa)
Umsatzstarker KunstmarktBild: picture-alliance/dpa

Trotz Weltwirtschaftskrise, trotz Eurodesaster und Rezession - der Kunstmarkt weltweit boomt. Gerade haben allein die großen drei Auktionshäuser Sotheby´s, Christie´s und Phillips bei ihren Herbstauktionen für zeitgenössische Kunst rund 600 Millionen Dollar eingespielt - eine erstaunliche Summe. Auch die Auktionen in Deutschland, die bisher in diesem Herbst stattfanden, haben gute Ergebnisse gebracht und Rekorde gebrochen. Wie entstehen die exorbitanten Preise am Kunstmarkt? Gedanken darüber hat sich jüngst die Wiener Kunsthistorikerin Jacqueline Nowikovsky gemacht und ein Buch darüber geschrieben. Der Titel: "$ 100.000.000? - Der Wert der Kunst".

Verkaufswert contra Ästhetik

Deutsche Welle: Sie stellen die These auf, dass Kunst und Kunstmarkt im Zeichen von Marketing und Verkäuflichkeit stehen. Ästhetische, inhaltliche, stilistische Fragen spielen keine große Rolle mehr. Warum?

Jacqueline Nowikovsky: Auf dem Kunstmarkt gibt es viele Käufer, die ein gesellschaftliches Interesse daran haben, sich über Ihre Sammlung zu identifizieren. Das passiert aus einem gewissen sozialen Druck, aus einer Erwartungshaltung heraus. Wer für seine Sammlung bewundert werden will, wird sich bemühen, gewisse Künstler zu erwerben und auszustellen, die einen ganz schnellen und rasch zu prüfenden Wiedererkennungswert haben. Das betrifft die Käuferschicht. Es betrifft aber auch Händler und andere Akteure des Kunstmarktes. Es geht um Kunst, die eine gewisse Markenpositionierung hervorgebracht hat. Das führt dazu, dass Maler weniger auf Grund einer Auseinandersetzung mit dem Inhalt oder ihrer ästhetischen Positionen erworben werden, sondern ganz klar auf Grund dieses Wiedererkennungswertes.

Sotheby's Versteigerung mit einem Bild von Fernand Leger (Foto: AP Photo/Matt Dunham)
Gemälde großer Künstler (hier ein Bild von F. Leger) erringen immer größere Preise bei AuktionenBild: AP

War das früher denn anders? Oder ist das eine Entwicklung, die sich erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten so ergeben hat?

Es gab immer solche Akteure, die den Ton angegeben haben. Es gab immer Maler, Malerfürsten, die an den Höfen ganz hoch gehandelt wurden. Die standen in der Gunst eines Regenten. Die Herrschaft der Märkte gibt es schon lange. Das hat sich nicht gravierend geändert. Was sich aber geändert hat, ist die Anzahl der Teilnehmer am Markt, die Leute, die die Möglichkeit haben, Kunst zu erwerben, die durch die vermehrte Kapitalzufuhr auch etwas zu sagen haben. Was früher vielleicht einigen Regenten und einigen Machthabern vorbehalten war, das betrifft heute viele Finanzmächtige.

Wer ist der Mächtigste?

Das sind also die Kunsthändler, die Galeristen, dann die Sammler, die privaten Sammler, weniger die Museen. Auktionshäuser und Kunstmessen spielen eine große Rolle. Wer sind denn die wichtigsten Akteure?

Es gibt nicht unbedingt die klaren Hierarchien. Es gibt bestimmte Leute, die eine zeitlang besonders den Ton angeben. Die positionieren dann etwas Neues am Markt, etwas noch nie Dagewesenes. Dann ist immer derjenige ein Vorreiter, der dieses Neue zu bieten hat. Auch die Interaktionen sind ganz gewaltig: Sammler interagieren mit Museen, weil Sammler natürlich etwas davon haben, wenn ihre Werke in einem Museum ausgestellt werden, zu einer großen Retrospektive oder einer Gruppenschau eingeladen werden. Auch Museen haben natürlich etwas davon, wenn sie diese Leihgaben bekommen, zumal sie nicht immer über die finanziellen Mittel verfügen, sich die fehlenden Objekte für eine Schau zu besorgen. Die Künstler finden sich so in einem Dreieck wieder zwischen den Händlern, den Galeristen, den Sammlern und auch den Museen. Es gibt also nicht den einen Leitwolf, es gibt viele Mitspieler, es ist ein Betrieb.

Buchcover Der Wert der Kunst von Jacqueline Nowikovsky (Czernin-Verlag)
Jacqueline Nowikovsky Buch über die Mechanismen des KunstmarktesBild: Czernin Verlag

Die verschiedenen Akteure sorgen also gezielt dafür, dass die Kunstwerke an Wert gewinnen, damit sie am Ende einen besseren Schnitt machen. Könnte man dies als ganz bewusst hintertriebene Wertsteigerung von Kunst bezeichnen?

Bewusst oder unbewusst läuft das so. Gewisse Wertsteigerungen passieren automatisch. Dass man sich dann freut, wenn so etwas passiert, liegt auf der Hand. Es ist natürlich weniger konspirativ, als es scheint. Ich würde es auch nicht als Komplott oder als Monopolspielplatz darstellen. Es gibt natürlich auch solche Theorien, die sehr verschwörungstheoretisch sind, die besagen, dass ein Kartell existiert, das ganz gezielt der Markt steuert. So ist es natürlich nicht. Man kann nie die gesamte Zukunft vorhersagen, auch wenn man sich als Galerist zum Beispiel bemüht, eine Knappheit künstlich zu erzeugen. Oder wenn man mitbietet bei Auktionen. Es gibt immer wieder Mechanismen, die vorauszusagen sind. Aber es ist nicht so, als könnte man da nach Skript vorgehen.

Der Künstler im Abseits

Es gibt aber nur wenige Künstler, die an diesem Spiel teilnehmen, an diesem Kunstmarkt-Karussell. Einige haben es geschafft. Da wäre der Brite Damien Hurst, sicherlich der bekannteste Aufsteiger aus den letzten Jahren. Bei Ihm hat man tatsächlich den Eindruck, er bestimme die Preise mit.

Ja, das ist natürlich eine ambivalente Figur. Damien Hirst kam so weit, weil er die Mechanismen genau durchschaute und mit einer gewissen Ironie betrieb. Er trieb sie weiter, bis an die Spitze. Er machte sich von den Galeristen unabhängig. Er hat eine gesamte Auktion geschmissen, in der nur noch seine Werke ersteigert werden konnten. Das kann man schon fast als Performance-Kunst betrachten, die die Regeln des Kunsthandels persifliert.

Damien Hirst
Vermarktungsgenie Damian Hirst

Existieren überhaupt noch Kriterien für "gute" und "schlechte" Kunst?

Der Markt ermöglicht es vielen Leuten, am Betrieb teilzunehmen. Nach Außen entsteht so der Eindruck, dass es keine Objektivität gibt. Es gibt keine Akademie wie früher, keine Jury. Einen Salon in Paris (der über Gut und Schlecht entschied) gibt es nicht mehr. So entsteht der Eindruck von großer Subjektivität. Das ist aber nicht alles. Es gibt da schon sehr wohl Instanzen, die eine Bewertung vornehmen, deren Urteil mehr Gewicht hat als das Urteil anderer Instanzen. Gerade diesen Instanzen ein Gesicht zu geben und ihr Wirken zu identifizieren, war das Anliegen meines Buches.

Jacqueline Nowikovsky: "$ 100.000.000? - Der Wert der Kunst", Czernin Verlag 2011, 222 Seiten, ISBN 978 3 7076 0355 2

Das Gespräch führte Jochen Kürten

Redaktion: Sabine Oelze