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Minderheiten und Irans Parlamentswahlen

Hans Sproß2. März 2012

Im Iran haben die Wahllokale geschlossen - mit vierstündiger Verspätung. Bis zuletzt bemühte sich die Regierung um eine hohe Beteiligung. Denn viele boykottierten den Gang zur Urne. Auch die ethnischen Minderheiten.

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Wahlplakate kleben in Teheran (Foto: AP)
Bild: AP

Der Iran ist ein Vielvölkerstaat. Über die Hälfte der Bevölkerung (48 Millionen Wahlberechtigte) sind Perser, wobei die Angaben zwischen 50 und 65 Prozent schwanken. Die größte Minderheitengruppe sind die Aserbaidschaner, auch hier schwanken die Angaben zwischen 16 und 24 Prozent, mit sieben Prozent folgen die Kurden an dritter Stelle. Zu weiteren Minderheiten zählen die iranischen Araber im Süden des Landes, die Belutschen an der Grenze zu Pakistan sowie die Turkmenen im Nordwesten.

Konfessionelle Unterschiede

Teilweise quer zu den ethnischen liegen die konfessionellen Trennlinien. Iranische Kurden, Araber und Belutschen sind, im Gegensatz zu den Aserbeidschanern, hauptsächlich Sunniten. Letztere sind mit rund acht Prozent eine religiöse Minderheit im schiitischen Iran und kämpfen um ihren Platz in der Gesellschaft. Sie bemühen sich zum Beispiel seit Jahren, eine eigene Moschee in Teheran zu bauen, bisher ohne Erfolg. Aber während ein Kandidat für die Präsidentschaftswahl Schiit sein muß, gilt diese Vorschrift bei der Parlamentskandidatur nicht. Außerislamische Religionen sind gesellschaftlich benachteiligt (beziehungsweise wie die Bahai verfolgt) und spielen politisch keine Rolle.

Wähler in Belutschistan an der pakistanischen Grenze (Foto: IRNA)
Wähler in Belutschistan an der pakistanischen GrenzeBild: IRNA

Boykott der Kurden

Es ist nicht einfach, vom Wächterrat als Kandidat für die Parlamentswahlen zugelassen zu werden, dies erfahren immer wieder nicht nur Oppositionelle, sondern auch Vertreter der nationalen Minderheiten. So lehnte der Wächterrat beispielsweise die Kandidatur des Kurden Abdollah Sohrabi wegen angeblicher "Mitgliedschaft in illegalen Parteien und Gruppen" ab. Sohrabi war von 2000 bis 2004 Abgeordneter im Parlament und vertrat dort zwei Städte der Provinz Kurdistan.

Diese Ablehnung und Anschuldigungen sind aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar: "Die Kurden stehen aufgrund ihres traditionellen Strebens nach Selbständigkeit stärker als die anderen ethnischen Minderheiten unter Druck. Aus diesem Grund werden Kandidaten, die politische und gesellschaftliche Forderungen erheben, immer wieder herausgefiltert", erklärt Sohrabi gegenüber der Deutschen Welle.

Die verschiedenen kurdischen Parteien haben die kurdische Bevölkerung aufgefordert, am 2. März zuhause zu bleiben und sich an dieser "Show" nicht zu beteiligen. In einer gemeinsamen Erklärung erinnern sie zudem an das brutale Vorgehen des Regimes während und nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren, als warnendes Beispiel für den Umgang der Regierung mit aufmüpfigen Bürgern.

Logo: Wahlen im Iran durchgekreuzt (Foto: iran-emrooz.net)
Aufruf zum Wahlboykott vor der ParlamentswahlBild: iran-emrooz.net

Stammesrivalitäten

Abdolrahman Dijedschi, Experte für die Volksgruppe der Turkmenen von der türkischen Universität Thrakien, sieht eine weitere Schwierigkeit für die politische Partizipation der Volksgruppen. Zwar sind die Parlamentswahlen im Prinzip die wichtigste Möglichkeit für die Turkmenen (und andere Minderheiten), sich am politischen System der Islamischen Republik Iran zu beteiligen. Wegen der Rivalität zwischen den verschiedenen turkmenischen Stämmen versuche aber jeder Stamm, seinen eigenen Kandidaten ins Parlament zu bekommen. Dijedschi geht im übrigen davon aus, dass zumindest die Intellektuellen unter den Turkmenen die Wahlen boykottieren werden.

Yusof Azizi Banitorof, Vorsitzender des "Zentrums zur Bekämpfung des Rassismus im Iran", prognostiziert, dass auch die arabische Volksgruppe den Wahlen mehrheitlich fernbleiben wird. Die arabische Minderheit habe als erste nicht persischsprachige Minderheit ablehnend Stellung zu den Wahlen bezogen.

Der iranisch-arabische Journalist Yusuf Azizi Banitorof (Foto: DW)
Der iranisch-arabische Journalist Yusuf Azizi BanitorofBild: privat

Die Anführer der ethnischen Minderheiten im Iran wollen oder können jedoch nicht immer direkt von einem Boykott sprechen. Aber die oftmals ignorierten sozialen und politischen Anliegen, die Ablehnung sogenannter problematischer Kandidaten und die festgefügten Machtstrukturen nehmen den Minderheiten weitgehend die Motivation, ihr Wahlrecht auszuüben.

Autor: Parsa Bayat
Redaktion: Hans Spross