1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Minister beschuldigt Loveparade-Macher

28. Juli 2010

Nach der Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg mit 21 Toten sehen das Land Nordrhein-Westfalen und die Polizei die Hauptschuld beim Veranstalter. Er habe nicht - wie vorgesehen - die Zugänge gesperrt.

https://p.dw.com/p/OWsC
Mächen umarmen sich vor Schild: 'Wie konnte es dazu kommen?' (Foto: apn)
Fragen nach den Ursachen: Jetzt kommen erste offizielle AntwortenBild: AP

Wegen der Massenpanik bei der Duisburger Loveparade haben der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), und die Polizei schwere Vorwürfe gegen den Veranstalter erhoben. Dieser habe entgegen seiner eigenen Anordnung die Zugänge in den Tunnel trotz der Menschenmassen nicht gesperrt, sondern am westlichen Zugang den Zulauf sogar weiter erhöht.

Aufgrund der nachdrängenden Menschenmenge habe die Polizei ihre vorgesehenen Maßnahmen aufgeben müssen, sagte der Inspekteur der nordrhein-westfälischen Polizei, Dieter Wehe, am Mittwoch (28.07.2010) in Düsseldorf. Zudem sei es dem Veranstalter nicht gelungen, den Rückstau am oberen Ende der Rampe vor dem Tunnel aufzulösen, erklärte er. Es sei zu einem weiteren Zulauf durch Zuschauer gekommen, die die Veranstaltung verlassen wollten.

Hauptstrom unkontrolliert in den Tunnel

NRW-Innenminister Jäger (r.) und Polizei-Inspekteur Wehe (Foto: dpa)
NRW-Innenminister Jäger (r.) und Polizei-Inspekteur WeheBild: picture-alliance/dpa

Dagegen hatte Loveparade-Organisator Rainer Schaller der Polizei-Einsatzleitung vorgeworfen, die Anweisung zur Öffnung aller Schleusen vor einem der Tunneleingänge gegeben zu haben. Dadurch sei der Hauptstrom der Besucher unkontrolliert in den Tunnel gelangt.

NRW-Innenminister Jäger erklärte, der Veranstalter habe die Vorgaben seines Sicherheitskonzepts nicht einhalten können. Dieser habe deshalb die Beamten zur Hilfe gerufen. Warum die Polizei allerdings erst so spät das Sicherheitskonzept erhalten habe, müsse noch geklärt werden. Der Minister kritisierte, eine enge und vertraute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Stadt stelle er sich anders vor. Auch finde er es "unerträglich", wenn Verantwortung auf Seiten der Stadt Duisburg oder des Veranstalters abgeschoben werde. Damit verstärkte er nochmals den Druck auf den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU).

Jetzt 21 Todesopfer

Kerzen, Rosen und ein Schild stehen am im Tunnel in Duisburg auf dem Gelände der Loveparade (Foto: dpa)
Am Ort der Katastrophe: der Versuch, das Unfassbare begreiflich zu machenBild: picture-alliance/dpa

Am Mittwoch stieg die Zahl der Toten nach der Massenpanik bei der Loveparade auf 21, davon waren 13 Frauen und acht Männer. Eine Frau aus Nordrhein-Westfalen erlag ihren Verletzungen, die sie vermutlich im erdrückenden Gedränge der Techno-Veranstaltung am vergangenen Samstag erlitten hatte. Die genaue Todesursache wird noch untersucht. Laut Staatsanwaltschaft schweben derzeit keine weiteren Veranstaltungs-Besucher in Lebensgefahr.

Insgesamt sind über 500 Besucher der Techno-Veranstaltung als verletzt registriert worden. Nach Einschätzung von Psychotherapeuten dürften noch viele weitere Loveparade-Teilnehmer lange unter quälenden Erinnerungen und Alpträumen leiden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung.

Künftig weniger Entscheidungen auf Stadt-Ebene

Das Bundesinnenministerium in Berlin stellte die Entscheidungskompetenz von Kommunen bei Großveranstaltungen wie die Duisburger Love-Parade infrage. Ab einer gewissen Größenordnung sei es sinnvoll, "vielleicht auf der Ebene der Regierungsbezirke beziehungsweise sogar auf Landesebene zu einer gemeinsamen Prüfung und vielleicht sogar zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen", sagte Ministeriumssprecher Stefan Paris in Berlin.

Zu begrüßen sei der Vorstoß von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, den Gemeinden künftig bei der Ausrichtung von Massenveranstaltungen zu helfen. Es müsse eine Diskussion in ganz Deutschland darüber geben, wie man sich am besten auf solche Großveranstaltungen vorbereiten könne, sagte Stefan Paris.

Hilfskräfte versorgen Opfer der Massenpanik am Tunneleingang (Foto: AP)
Opfer der Massenpanik: für viele von ihnen kam jede Hilfe zu spätBild: AP

Am Samstag soll in der Duisburger Salvatorkirche eine zentrale Trauerfeier stattfinden mit Angehörigen der Opfer aus vielen Ländern. Teilnehmen wollen auch Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle.

Der Duisburger Oberbürgermeister Sauerland verzichtet dagegen auf eine Teilnahme. Er wird von vielen Menschen für die Tragödie verantwortlich gemacht und soll bereits Morddrohungen erhalten haben. Ein Sprecher der Stadt begründete Sauerlands Absage in der "Rheinischen Post", das Stadtoberhaupt wolle "die Gefühle der Angehörigen nicht verletzen und mit seiner Anwesenheit nicht provozieren".

Autor: Herbert Peckmann (apn, dpa, rtr, epd)

Redaktion: Dirk Eckert

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen