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Ministerpräsidenten-Wechsel in Tschechien

25. April 2005

"Im Vergleich zu Regierungskrisen in anderen Ländern ist hier eine Oase der Ruhe", sagt Tschechiens neuer Ministerpräsident Jiri Paroubek. Sein Vorgänger Stanislav Gross ist am Montag zurückgetreten.

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Stanislav Gross unter RechtfertigungsdruckBild: AP


Jiri Paroubek hat in nur neun Monaten den Sprung von der Kommunalpolitik ins Regierungsamt geschafft: Noch im Juli 2004 saß der Sozialdemokrat als stellvertretender Oberbürgermeister im Rathaus am Prager Mariannenplatz. Jetzt ist der als "Wohnungsbauminister" bekannte Regionalentwicklungsminister neuer Regierungschef und zugleich stellvertretender Vorsitzender der CSSD, der größten Regierungspartei.

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Politiker mit Wirtschaftserfahrung

Der am 21. August 1952 in der mährischen Stadt Olomouc (Olmütz) geborene Paroubek arbeitete nach einem Wirtschaftsstudium als Betriebswirt und war nach der politischen Wende als Berater für mittelständische Unternehmen aktiv. In der kommunistischen Ära war er 1986 aus der Sozialistischen Partei ausgetreten, weil er dort seine "demokratischen Vorstellungen nicht verwirklichen konnte". Im Januar 1989 gehörte Paroubek zu den Neugründern der vom totalitären Regime verbotenen Sozialdemokratischen Partei.

Paroubeks schwerste Aufgabe dürfte zunächst sein, die zerstrittenen Lager der Regierung zusammen zu bringen. "Die Krise wird in ihrer Absurdität nur von den Werken von Franz Kafka übertroffen", kommentierte ein Mitarbeiter von Ex-Präsident Vaclav Havel die Geschehnisse der vergangenen Wochen. Entweder raufe sich die zerbrochene Koalition noch zusammen, oder es gebe Neuwahlen, hatte auch der amtierende Staatspräsident Vaclav Klaus gefordert.

Panorama Prag
Bild: dpa

Mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten wurde gemäß der tschechischen Verfassung automatisch das gesamte Kabinett aufgelöst. Damit schuf der 35-jährige Sozialdemokrat die Voraussetzung für die Fortführung der Regierungskoalition. Unmittelbar vor Gross' Rücktritt hatten die Koalitionsparteien - neben der sozialdemokratischen CSSD die Christlich-Demokratische Union (KDU) und die Freiheitsunion - eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.

Strittige Immobiliengeschäfte

Der 35jährige Stanislav Gross war seit Juli 2004 Ministerpräsident – und der jüngste in seinem Amt in der Europäischen Union. Mit seinem Rücktritt zog er die Konsequenz aus dem Skandal um die zweilichtige Finanzierung seiner Luxuswohnung. Tschechische Medien hatten im Januar über einen umstrittenen Immobilienkauf des Regierungschefs berichtet. Gross konnte bislang nicht glaubhaft erklären, woher das Geld für den 1999 abgewickelten Immobilienerwerb stammt.

Laut Presseberichten hatte er dafür rund 140.000 Euro aus unklaren Quellen gezahlt. Er soll sich das Geld bei einem Onkel besorgt haben, der es wiederum von einem ihm kaum bekannten Journalisten geliehen bekam. Gross' Anwältin Helena Horova sagte, ihr Mandant habe inzwischen einem Gläubiger umgerechnet 30.000 Euro für den Kauf einer Wohnung in Prag zurückgezahlt. Allerdings gelten auch weitere Geschäfte von Gross und seiner Ehefrau Sarka als unsauber. (arn)