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"Missbrauch ist unbeschreibliches Verbrechen"

19. September 2010

Der Papst hat beim Staatsbesuch in Großbritannien noch einmal sein tiefes Bedauern über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekundet. Seine Gegner gingen dennoch auf die Straße.

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Papst Benedikt der XVI. mit Bischofsmütze und gefalteten Händen (Foto: AP)
Der Papst sucht das Gespräch mit den OpfernBild: AP

Er fühle sich beschämt angesichts dieser "unbeschreiblichen Verbrechen", sagte Papst Benedikt XVI. am Samstag (18.09.2010) in der Londoner Westminster Cathedral mit Blick auf die Missbrauchsfälle. Die Vorfälle seien eine Demütigung und Strafe für die ganze Kirche.

Bei einer festlichen Messe in der katholischen Kathedrale der britischen Hauptstadt sprach der Papst allen Missbrauchsopfern sein tiefes Bedauern aus. Zugleich äußerte er die Hoffnung auf Heilung und rief die Gläubigen zur Anteilnahme auf.

Mehr Zeit für die Opfer als für Cameron

Am Nachmittag traf Benedikt dann in der vatikanischen Botschaft mit fünf Menschen - vier Frauen und einem Mann - zusammen, die von katholischen Priestern missbraucht worden waren. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi erklärte, der Papst sei sehr bewegt gewesen, als er den Opfern zugehört habe. Er habe sein tiefes Mitleid und seine Scham darüber ausgedrückt, was sie und ihre Familien erlitten hätten. Die BBC berichtete, Benedikt habe Tränen in den Augen gehabt, als er sich bei den Betroffenen entschuldigte.

Der Präsident der katholischen Kinderschutzkommission NCSC, Bill Kigallon, beschrieb das Treffen als "hochemotional". Schon die Dauer sei sehr bezeichnend gewesen. Mit 30 bis 40 Minuten habe der Papst den Opfern mehr Zeit gewidmet als dem britischen Premierminister David Cameron.

Demonstranten mit Schildern und Transparenten (Foto: AP)
Den Demonstranten geht die Entschuldigung Benedikts nicht weit genugBild: AP

Nichtsdestotrotz gab es zugleich in London die wohl größte Demonstration von Papstgegnern während der Visite Benedikts in Großbritannien. Angeführt von einer Gruppe Laizisten zogen einige tausend Menschen vom Hyde Park zum Regierungssitz in der Downing Street. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen den Umgang mit den Missbrauchsfällen. Sie prangerten aber auch die katholische Sexualmoral und die Haltung der Kirche gegenüber Frauen an.

Kritik an moralischem Relativismus

Abendlicher Gottesdienst im Londoner Hyde Park (Foto: AP)
Meditative Stimmung beim Abendgebet im Londoner Hyde ParkBild: AP

Am Abend jubelten dem Papst bei einem Abendgebet im Hyde Park rund 80.000 Menschen zu. Der von einer sehr meditativen Stimmung geprägte Gottesdienst war die letzte und zugleich am besten besuchte Veranstaltung Benedikts in London.

In den Mittelpunkt stellte der Papst dabei Kardinal John Henry Newman (1801-1890), den er an diesem Sonntag in Birmingham seligsprechen will. Er schilderte den von der anglikanischen zur katholischen Kirche übergetretenen Newman als "Vorbild für Leidenschaft und Wahrheit". Der Kardinal halte damit auch eine Botschaft für die Gegenwart bereit, in der "intellektueller und moralischer Relativismus" die Fundamente der Gesellschaft zu untergraben drohten.

Birmingham ist die letzte Station des viertägigen Staatsbesuchs des Papstes. Nach der Messe im Cofton Park, bei der die Seligsprechung stattfindet, kommt der 83-Jährige noch mit den Bischöfen von England, Wales und Schottland zusammen. Am Abend fliegt das Kirchenoberhaupt dann nach Rom zurück.

Terrorverdächtige wieder frei

Unterdessen wurden die sechs während des Besuchs von Papst Benedikt unter Terrorverdacht festgenommenen Männer wieder auf freien Fuß gesetzt. Wie die britische Polizei am Sonntagmorgen in London mitteilte, wurde keine Anklage gegen sie erhoben.

Die Männer im Alter von 26 bis 50 Jahren waren am Freitag in London festgenommen worden und standen nach Angaben von Scotland Yard im Verdacht, "terroristische Taten" in Verbindung mit dem Papst-Besuch vorbereitet und in Auftrag gegeben zu haben.

Autor: Thomas Grimmer (kna, dapd, dpa, afp)
Redaktion: Gerhard M Friese