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Mission ohne Gefahrenzulage

Thomas Winkel23. Oktober 2004

Die meisten Krisengebiete dieser Erde befinden sich vermutlich auf dem afrikanischen Kontinent. Und viele von ihnen sind vergessene Regionen. Missionare können davon ein trauriges Lied singen.

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Nicht immer ist der Alltag der Missionare friedlichBild: AP

Das Wort Mission hat für viele Außenstehende, besonders in der westlichen Welt, den Geruch von Kolonialismus, Kulturimperialismus und religiöser Intoleranz. Doch Missionare von heute haben ein anderes Berufsverständnis als ihre Vorgänger vor 100 Jahren. Besonders wenn es darum geht, in Krisengebieten zu helfen, dort, wo Mord und Totschlag eine permanente Bedrohung sind.

Dilemma in Krisenzeiten: Fliehen oder bleiben?

Immer häufiger geraten Ordensleute in kriegerische Auseinandersetzungen, beklagt Pater Wolfgang Schonecke vom Netzwerk Afrika Deutschland. Sobald sich die Lage zuspitzt, stehen die Missionare vor einem Problem: Sich in Sicherheit bringen und die Einheimischen im Stich lassen - oder lieber bleiben und das eigene Leben aufs Spiel setzen? Ein echtes Dilemma, wissen die Verantwortlichen im Netzwerk, in dem rund 40 christliche Orden
mitarbeiten. "Die Entscheidung wegzugehen, ist so ungefähr wie die Entscheidung eines Vaters, der sagt, 'ich will meine Frau und Kinder zurücklassen, um mein Leben zu retten'."

Zumal ein einziger weißer Ordensmann mitunter wie eine Art Schutzschild wirkt für einen Stamm von Dunkelhäutigen - weil allein seine Anwesenheit Soldaten wie Rebellen von einem Blutbad abhalten kann. Ein ermordeter Europäer nämlich löst leichter Presseecho und Vergeltungsschläge aus, als ein ganzes ausgelöschtes Dorf. Doch Nonnen oder Patres, die im Kriegsgebiet verharren, dürfen sich niemals allein gelassen fühlen, fordert der Leiter der internationalen Missionsprokur der Salesianer in Bonn, Jean-Paul Muller. Während der Kämpfe in Liberia hielt er ständig Kontakt zu seinen Mitbrüdern - über Mobiltelefon und E-Mails.

Grausamkeiten sind schwer zu verkraften

Allerdings: Angesichts von Überfällen rund um die Uhr und Toten an jeder Ecke behalten nicht alle Ordensleute die Nerven. Zum Beispiel beim Völkermord in Ruanda: Der Anblick von Grausamkeiten aller Art traf die Missionare völlig unvorbereitet. Viele haben den plötzlichen Ausbruch extremer Gewalt nur sehr schwer verkraftet. Kriegstraumata lassen sich nur mit professioneller Hilfe verarbeiten, wissen die Ordensoberen. Ebenso halten sie es für unsinnig, dass ihre Leute Kopf und Kragen riskieren, nur um das Pfarrhaus vor Plünderern zu schützen.

Fliehen oder nicht? Die letzte Entscheidung, da sind sich alle einig, kann nur vor Ort gefällt werden - und nicht in der Ordenszentrale, die buchstäblich weit weg ist vom Schuss. Sogar offizielle Warnungen des Staates seien kein klares Kriterium, betont Pater Schonecke: "Die Botschaften werden immer die sicherere Position einnehmen und die Bürger auffordern, das Land zu verlassen." Das könne für Missionare kein Kriterium sein - zumal die für ihre Präsenz im Land ganz andere Motive hätten, als etwa Diplomaten oder Geschäftsleute.