1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nordisches Kino

18. Dezember 2008

Zwischen Rentendebatte und Überalterung erzählt Regisseur Bent Hamer mit "O' Horten" eine tragisch-komische Geschichte über ein Leben nach der Pensionierung. Eine Begegnung mit lustigen und schrulligen Nordeuropäern.

https://p.dw.com/p/GI4C
Illustrationsfoto (Quelle: picture-alliance/dpa)
Tierische Liebe: Zugführer Odd Horten (Bard Owe) an der Bahnsteigkante des LebensBild: picture-alliance / dpa

Odd Horten (Bart Owe) führt ein Leben, was kaum gewöhnlicher sein könnte. Seit 40 Jahren die gleiche Arbeit als Lokführer, die gleiche Fahrtstrecke und der gleiche graue norwegische Himmel. Die Pensionierung droht nun seinen geordneten Alltag jedoch mächtig durcheinander zu bringen. Schon der Anfang seines neuen Lebensabschnittes wirft ihn im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bahn. Der passionierte Eisenbahner verschläft das erste Mal und verpasst seine allerletzte Fahrt zwischen der norwegischen Hauptstadt Oslo und Bergen.

Kein grauer Rentner-Alltag

Bart Owe in einer Filmszene (Quelle: AP/Pandora, John Christian Rosenlund)
Odd Horten bei seiner Arbeit in der Führerkabine eines ZugesBild: AP

Und das ist erst der Anfang von tragisch-komischen Begegnungen mit den schrulligen - und meist älteren - Bewohnern der nordischen Gefilde. Regisseur Bent Hamer portraitiert sie alle auf eine lustige, aber zugleich liebeswürdige Weise in seiner norwegisch-deutsch-französischen Produktion. Hortens neues Leben selbst bringt einige Überraschungen mit sich, die zwar absurd wirken, aber durchaus nachvollziehbar sind. Frau und Hund scheinen da noch die normalsten "Neuanschaffungen" zu sein, doch immerhin bewahren ihn die Erlebnisse vor dem Grau des Rentneralltags.

Schon nach seiner Abschiedsfeier fangen die Probleme an - und das alles wegen eines Türschlosses mit Code, das anstatt sich zu öffnen, aus der Hauswand fällt. Fernab von Eisenbahnen wirkt der Hauptdarsteller eher technisch unbegabt. An Ideen mangelt es ihm jedoch nicht, um dennoch zu dem kleinen Umtrunk bei einem Bekannten zu gelangen.

Eingeschlossen im Schwimmbad

Doch beim Fassadenklettern findet er sich statt in der gewünschten Wohnung im Zimmer eines kleinen Jungen wieder, der mit ihm das Sandmännchen spielen möchte. Das ist noch harmlos gegen die Fluchtszene vor zwei nackten lesbischen Frauen im Schwimmbad, wo er nach einem ausgiebigen Saunabesuch den Schlussgong überhört und vom Kassierer eingeschlossen wird. Nach seiner abenteuerlichen Flucht, auf roten Stöckelschuhen staksend, landet er schließlich in einem Saal voller afrikanischer Masken, wo ihm ein recht seltsamer Mann den Sinn des Lebens offenbart.

Doch die skurrile Reise lohnt sich: Am Ende hat der Rentner Frau, Hund und seinen Stolz zurück.

Schspieler Bart Owe (Quelle: dpa)
Der Blick in eine ungewisse ZukunftBild: picture-alliance/ dpa

Eine gewisse Ähnlichkeit zu Jacques Tatis zögerlichem Slapstick rund um technische Neuerfindungen ist bei Hamers Werk nicht von der Hand zu weisen. Der pfeiferauchende Horten hat ein wenig von "Monsieur Hulot" und Darsteller Bard Owe sieht man sein Pensionärsalter nicht unbedingt auf den ersten Blick an - obwohl dieser im wahren Leben schon längst die 70 überschritten hat.

Angenehmes Altern

Doch gerade das Alter macht den Film aus. Ein Blick in Hortens leuchtend blau Augen macht schnell deutlich, dass er gar nicht zum "alten Eisen" gehören will. Sich auf die faule Haut zu legen kommt für ihn nicht in Frage, denn gerade der alltäglich Trott, die jahrzehntelange Gewohnheit gehören zu den Dingen, denen er entkommen muss. Eine angenehme Geschichte über das Altern fernab von Rentendebatten und Angst vor Überalterung der Gesellschaft.

Im Gegensatz zu Hamers Gespür für den stummen Witz wirken einige Running Gags leider etwas platt, was dem Gesamtkonstrukt jedoch keinen Abbruch verschafft. Auch das Ende der Geschichte, die deutlich mehr Tiefgang hat, als es auf den ersten Blick scheint, stellt die Feinsinnigkeit Hamers unter Beweis: Eine weiße Winternacht, getaucht in feinen Nebelt gibt dem Zuschauer die Freiheit, sich sein eigenes Ende der Fabel vorzustellen.

Alles in allem: eine gelungene Mischung aus Humor, Melancholie und Alltäglichkeit bis hin zur Absurdität. (sj)