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Mit 8000 Trommeln durch Deutschland

Philipp Schneider11. Juli 2006

Manche Menschen spielen Klavier, andere Geige. Johnny Lamprecht besitzt über 8000 afrikanische Trommeln. Seit acht Jahren tourt er durch Deutschland und veranstaltet Trommelseminare für Kinder und Erwachsenen.

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Kinder bei "Trommelzauber"Bild: trommelzauber
Trommelzauber Johnny Lamprecht
Johnny LamprechtBild: trommelzauber

In der Turnhalle einer Grundschule in Dorsten ist der Teufel los. Etwa vierhundert Kinder hämmern wie entfesselt auf kleinen afrikanischen Trommeln herum. Vor ihnen, auf einem kleinen Podest, thront Jonny Lamprecht und gibt den Rhythmus vor. Er ist in ein buntes afrikanisches Gewand gehüllt; an seinem Hals baumelt eine kleine Trommel. Lamprecht hat mit den Kindern ein Geheimzeichen verabredet. Immer wenn er seine Finger auf die Trommel legt, kehrt in der Halle für einen kurzen Moment wieder Stille ein.

Trommler statt Priester

Er ist es gewohnt, sich bei Horden übermütiger Grundschüler durchzusetzen. "Ich weiß, dass man durch Musik ganz viel fürs Leben lernen kann", sagt er. "Disziplin zum Beispiel. Ein Instrument zu lernen, das erfordert Disziplin." Musikalisch war Johnny Lamprecht schon immer: Mit sechs Jahren erhielt er den ersten Klavierunterricht, mit zwölf Jahren brachte er sich selber Gitarre bei. Eigentlich wollte Lamprecht katholischer Priester werden.

Als er gegen Ende seines Theologiestudiums afrikanische und südamerikanische Trommler kennen lernte, schmiedete Lamprecht andere Zukunftspläne. "Da hat sich alles bewegt, und das war so stark", erzählt er. "Und da merkte ich: Das Trommeln fasziniert mich, ich muss das lernen. Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nur: Westafrika, da kann man Trommeln lernen."

Lehre im Senegal

Bereits sechs Wochen später findet sich Lamprecht in einem kleinen Dorf im Senegal wieder, direkt am Atlantik. Und er hat Glück: Er macht die Bekanntschaft des afrikanischen Meistertrommlers Bacari Olé, bei dem er im nächsten halben Jahr in die Lehre gehen darf. "Sechseinhalb Zähne hatte er, er war Analphabet, ein Urviech vom Feinsten", sagt Lamprecht. "Der kann so trommeln, das glaubt niemand. Mit vier riesigen Trommeln macht der Musik. Richtige Musik."

Johnny und sein Meister trommeln im Freien, im Schatten eines Baumes. Nachts schlafen sie in einem Zelt um sich von den Naturgeräuschen des Senegal inspirieren zu lassen. Johnny beginnt zu schreiben und zu komponieren. Er will seine Musikbegeisterung an andere Menschen weitergeben, am liebsten an Kinder. "Ich habe mir eine Geschichte ausgedacht. Ein Musikmärchen, mit allem was klingt im Senegal, im Busch. erzählt Lamprecht. "Also mit Johannesbrotbaumfrüchten, mit Muscheln, die es fast nur dort gibt und die wunderbar klingen. Wenn man nur das, was die Vögel da pfeifen, trommelt, dann hat man schon genug zu tun."

Nur gemeinsam macht es Spaß

Vor acht Jahren inserierte Johnny Lamprecht in einer Kindergartenfachzeitschrift und konnte sich vor Aufträgen nicht mehr retten. Er schloss sich mit anderen Trommlern zusammen und gründete das Trommelzauber-Team, mit dem er seither um die Welt reist. Der Deutsche hat einen prall gefüllten Terminkalender: Pro Jahr trommelt er mit mehr als 100.000 Menschen. Lamprecht arbeitet nebenbei als Familientherapeut und legt großen Wert auf das pädagogische Konzept seines Programms: "Da ist egal, wie gut einer Deutsch kann oder wie gut er in Mathe ist. Stille Kinder, die gehen mehr aus sich heraus und die Vorlauten, die werden stiller. Weil sie merken: Nur gemeinsam macht es Spaß."

Lamprecht trommelt auch mit Erwachsenen. Er wird von Unternehmen gebucht, die sich von Lamprechts Trommelzauber eine Verbesserung des Gemeinschaftsgefühls erhoffen. Ihn fasziniert es immer wieder, zu sehen, welche Verhaltensänderung das Trommeln bei Erwachsenen hervorrufen kann. "Das Geheimnis ist, dass ich den Erwachsenen die Erlaubnis gebe Kind zu sein. Ich trau denen auch zu, den Vogeltanz zu machen oder den Elefantentanz. Und die haben einen Spaß."

Auf der Tribüne der Dorstener Turnhalle stehen die Eltern der Grundschüler. Manche von ihnen schwingen rhythmisch die Hüften oder trommeln mit den Fingern auf ihren Oberschenkeln mit. Eine Mutter kann sich nicht länger zurückhalten. Langsam schleicht sie sich die Treppe herunter, schnappt sich eine Trommel und steigt in den Rhythmus ein. Vielleicht besteht Lamprechts Trommelzauber gerade darin, dass er auf Alt und Jung in gleicher Weise wirkt.