`Mit Anstand verabschieden`
14. April 2009Es sind schwere Zeiten für Jürgen Klinsmann. Seit dem 1:5 in Wolfsburg in der Bundesliga und dem 0:4 in Barcelona im Viertelfinal-Hinspiel der Fußball-Champions-League steht er heftig in der Kritik. Aufgeben kommt für den Bayern-Trainer aber in "keinster Weise" in Frage. "Ich hatte schon extremere Momente: Drei Monate vor der WM nach der 1:4-Niederlage gegen Italien forderten viele meinen Kopf, und am Schluss gab es das Sommermärchen", erinnert sich der unerschütterliche Optimist beinahe trotzig.
"Frankfurt ist nicht Barcelona"
Sein erstes persönliches Endspiel um den Job-Erhalt hat Klinsmann bereits gewonnen. Gegen Eintracht Frankfurt wahrte der FC Bayern München seine Chance auf den nationalen Meistertitel und siegte souverän und durchaus ansehnlich 4:0. Der Sieg lässt den Coach aber maximal kurz durchpusten. Er war mehr Pflicht als Wiedergutmachung. Jetzt, im Rückspiel gegen den großen FC Barcelona am Dienstagabend, wäre ein solches 4:0 eine Sensation. Dann stünde eine Verlängerung an. Die Wiedergutmachung wäre geglückt. Bayern hätte wieder die Chance ins Halbfinale der Königsklasse einzuziehen. Das Problem: "Frankfurt ist nicht Barcelona", wie Bayern-Kapitän Marc van Bommel schon nach dem Sieg zu bedenken gab. Die Gegner hießen eben Russ, Chris und Meier und nicht Iniesta, Messi oder Henry.
Selbst beim ansonsten stets optimistischen Klinsmann ist daher Realismus eingekehrt. "Wir wollen uns mit Anstand verabschieden", sagte er vor dem sportlich angeblich überflüssigen Rückspiel. "Wir wissen, dass man diese Mannschaft nicht mit vier Toren Unterschied schlagen kann". Ein Sieg soll her, auch wenn keiner mehr an das Weiterkommen glaubt.
Barca schont Stars
Im Lager der Spanier ist man trotzdem vorsichtig: Barcas Trainer, Josip Guardiola, der aufgrund seiner Hinausstellung im Hinspiel für ein Spiel gesperrt wurde und in München auf der Tribüne sitzen muss, warnte nach dem 4:0-Erfolg des deutschen Rekordmeisters gegen Frankfurt: "Die Bayern sind jederzeit in der Lage, vier Tore zu schießen."
Gegen Barcelona dürfte dies den Münchnern allerdings schwer fallen, schließlich sind die Katalanen nicht nur offensivstark, sondern auch seit fünf Partien ohne Gegentor. Die Chance, im Rückspiel besser auszusehen, als vor einer Woche in Barcelona, besteht allerdings. Nicht zuletzt deshalb, weil der spanische Tabellenführer voraussichtlich einige Top-Stars schonen wird. Anders als für die Bayern geht es für Barca in dieser Saison noch um drei Titel – die Champions-League, den Pokal und die Meisterschaft. Wahrscheinlich werden daher Leistungsträger wie Thierry Henry oder Lionel Messi in München nur zuschauen.
Lahm kehrt zurück
Veränderungen stehen auch im Team des Deutschen Meisters an. Philipp Lahm kehrt nach einer Verletzung ebenso in den Kader zurück wie Daniel van Buyten, der aus privaten Gründen beim Hinspiel nicht dabei sein konnte. Das Tor wird zum Leidwesen von Michael Rensing wieder Jörg Butt hüten. "Im Moment muss ich Michael leider wehtun und dessen weitere Entwicklung hinten anstehen, damit wir hier die Resultat einfahren, an denen wir alle gemessen werden", sagte Klinsmann zu seiner Torhüter-Entscheidung.
Ob mit Rensing oder Butt: In bislang 17 Jahren Champions League gelang lediglich Deportivo La Coruna 2004 einmal nach einem 1:4 im Hinspiel noch ein 4:0 im Rückspiel gegen den AC Mailand. Einen Vier-Tore-Rückstand holte bisher noch nie ein Team auf.
ManU und Liverpool hoffen
Ebenfalls am Dienstag gefordert sind Michael Ballack und sein FC Chelsea. Im englischen Duell gegen den FC Liverpool müssen die "Blues" im heimischen Stadion einen 3:1-Vorsprung aus dem Hinspiel verteidigen. Am Mittwoch erwartet der FC Porto dann Manchester United (Hinspiel 2:2) und der FC Arsenal den FC Villarreal (1:1).
Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Wolfgang van Kann