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Der 1. FC Köln geht neue Wege

Frank Gazon5. März 2009

Geld regiert die Welt. Diese alte Weisheit hat längst auch im Profisport Gültigkeit. Wer im knallharten Geschäft Fußball erfolgreich sein will, braucht entweder viel Geld oder eine gute Idee wie im Fall des 1. FC Köln.

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Blick ins Sportslab, das Computerzentrum des 1. FC Köln. Quelle: Frank Gazon
Geißböcke mit Hightech-WissenBild: Frank Gazon
Portrait des Kölner Trainers Christoph Daum. Quelle: DW-TV
Erfolgreicher Querdenker DaumBild: DW-TV

SportsLab heißt die Zauberformel, die dem Bundesligaaufsteiger 1. FC Köln einen entscheidenden Vorteil im Kampf um Tore, Punkte und im Idealfall auch Meisterschaft verschaffen soll. Dahinter verbirgt sich ein im deutschen Fußball einzigartiges Computerprogramm. Denn, das weiß auch der Kölner Trainerfuchs Christoph Daum, nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Also gab er IT-Experten den Auftrag ein Computerprogramm zu entwickeln, mit dessen Hilfe er vor den Clubs aus dem In- und Ausland Fußballtalente in aller Welt aufspüren kann. Die ersten Erfahrungswerte geben dem Kölner Coach Recht, wie er nicht ganz ohne Stolz verkündet: "Bei uns wird ein Spieler frühzeitig gesichtet und wir können schneller als andere mit ihm Kontakt aufnehmen. Ob es dann immer gelingt, ihn tatsächlich zu verpflichten, hängt auch von den Finanzen ab." Aber erste konkrete Erfolge gebe es schon zu verbuchen, fügt Daum hinzu.

Mitarbeiter aus 15 Ländern

Damit spricht er die Verpflichtung des Portugiesen Pedro Geromel an. Der 22 Jahre alte Verteidigungskünstler wechselte für 2,5 Millionen Euro an den Rhein. Mittlerweile gehört er zu den besten Verteidigern der Liga und dürfte ein Vielfaches wert sein. Entdeckt wurde er allerdings nicht von einem sogenannten Scout, sondern von einem portugiesischen Studenten, der gemeinsam mit etwa 25 weiteren studentischen Hilfskräften aus 15 Ländern in der "Geheimdienstzentrale" des 1.FC Köln Tag für Tag Videoaufzeichnungen von Fußballspielen aus aller Welt analysiert. Dazu hat der Verein eigens mehrere Satellitenanlagen auf dem Dach des Vereinheims installiert. Nahezu jedes Fußballspiel, das im Fernsehen gezeigt wird, findet so Eingang in die Kölner Datenbank.

Billiger und effektiver

Blick auf die Computer-Arbeitsplätze im Kölner Sportslab. Quelle: Frank Ganzon
FC- "Geheimdienstzentrale"Bild: Frank Gazon

Das System sei wesentlich effizienter und aussagekräftiger als das klassische Scouten von Talenten, erklärt Boris Notzon, der Leiter des SportsLab. Die Konkurrenz nutzt im wesentlichen nur die klassischen, indirekten Zugänge zu neuen Spielern. In der Regel sind es nur zwei Quellen, die die Vereine anzapfen: einerseits über Kontaktnetzwerke des Managements, anderseits über Informationen aus der Scoutingabteilung. Dort laufen sämtliche Informationen von professionellen Scouts zusammen, die direkt vor Ort in den Stadien Spiele anderer Ligen beobachten. Entweder tun sie das im Auftrag des Vereins oder als Freiberufler, die ihre Erkenntnisse mehren Clubs anbieten. Auf jeden Fall kostet es Geld, und zwar mehr als wenn man sich die Informationen über die SportsLab-Methode besorgt. Aufgrund dieser spärlichen Erkenntnisse "ist man dann früher hingegangen und hat gesagt, das ist ein Spieler für uns", beschreibt Notzon die klassische Methode fast ein wenig mitleidsvoll. Aber das war einmal, zumindest was den 1.FC Köln angeht. Hier verlässt man sich lieber auf den Sachverstand der internationalen Studenten, die immer nur die Liga aus ihrem Heimatland unter die Lupe nehmen. Die meisten von ihnen sind darüber hinaus selbst gute Amateurfußballer und wissen ganz genau, worauf sie achten müssen.

Bilder reisen lassen

Die Vorteile von SportsLab liegen auf der Hand. Durch die Vielzahl von Videoaufzeichnungen ist es möglich, eine ganze Mannschaft oder auch einen einzelnen Spieler über einen längeren Zeitraum zu beobachten. "Wenn der betreffende Spieler einmal gut spielt, dann ist das weniger aussagekräftig, als wenn er diese Leistung in 13 von 15 Einsätzen abruft", erklärt SportsLabchef Notzon ganz nüchtern. Genau diese Information kann der traditionelle Scout aber nicht liefern, "weil er dann immer vor Ort sein oder ständig hin und her fliegen müsste". Also haben sich die Verantwortlichen beim Kölner Traditionsverein entschieden, lieber die Bilder als die Spielerbeobachter reisen zu lassen. Dieses Prinzip ist nicht nur schnell und effizient, sondern es spart auch Geld.

Videoplayer statt Lehmanns Zettel

Sportslab von Außen: Blick auf die Halle, in der das Computerteam untergebracht ist. Quelle: Frank Gazon
Neues hinter alten MauernBild: Frank Gazon

Aber das in Deutschland einzigartige Computerprogramm bietet noch weitere Vorteile, zum Beispiel für den laufenden Spielbetrieb. So lassen sich die SportsLab-Daten hervorragend zur individuellen Vorbereitung auf den nächsten Gegner nutzen. Vor jedem Spiel bekommen alle Spieler einen kleinen tragbaren Videoplayer in die Hand. Darauf finden sie neben Informationen über den nächsten Gegner vor allem konkrete Analysen des direkten Gegenspielers. So liefert SportsLab Angaben über das Defensiv- und Offensivverhalten, die Laufbereitschaft oder für die Torhüter die bevorzugten Ecken der gegnerischen Elfmeterschützen. Man denke nur an den berühmten Zettel von Jens Lehmann! Die Vorzüge von SportsLab kommen nicht nur den Profis, sondern auch den Jugendmannschaften des 1. FC Köln zugute.

"Immer einen Schritt voraus"

Über eineinhalb Jahre haben die Computerexperten der Geißbockelf für die Entwicklung der Software und den Aufbau der Hardware in einem Großraumbüro im Schatten des Geißbockheims gebraucht. Doch der Aufwand hat sich in den Augen des für seine innovativen Trainingsmethoden bekannten Christoph Daum gelohnt und wird es auch in Zukunft tun. "Um eine ähnliche Software zu erstellen, brauchen andere Vereine bis zu einem Jahr. Aber dann werden wir schon wieder ein Stückchen weiter sein", frohlockt der Kölner Starcoach.