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Rettende Erleuchtung

17. Juni 2009

Russland hat im weltweiten Vergleich enorm viele Verkehrstote. Gesetzgeber und Polizei schienen bislang machtlos. Doch nun kam den Ordnungshütern zur Verkehrsberuhigung die Erleuchtung.

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Bild: DW

Er segnet Fahrzeuge wie Fahrzeughalter, Führerscheine wie Wegkreuzungen. Vater Pawel Rachlin geht alle zwei Wochen auf die Straße. Er hilft dann der Verkehrspolizei auf den Trassen und Landstraßen im Gebiet Jaroslaw, gut zwei Autostunden östlich von Moskau. Vor allem rücksichtlosen Rasern redet er tief ins Gewissen. In schwarzer Mönchskutte und Kopfbedeckung mahnt er: "Ich möchte Sie zu mehr Aufmerksamkeit, Geduld und Achtung gegenüber Ihren Mitmenschen aufrufen, auch auf den Straßen."

Autofahrer verursachen in Russland fast eine Viertelmillion Unfälle pro Jahr. Allein 2008 starben so fast dreißigtausend Menschen. Während in Deutschland von einer Million Einwohner jahrlich etwa 80 bei Autounfällen umkommen - in den USA liegt die Zahl bei 150 -, sind es in Russland jährlich 240. Ein trauriger Rekord, das wissen auch die Verkehrspolizisten von Jaroslaw.

Doch bislang schien keine Ordnungs-Maßnahme zu helfen. Weder die Führerscheinreform von 2006, noch die Null-Promillegrenze oder schärfere Geschwindigkeitskontrollen. PS-Prahlerei, schlecht gewartete, alte Autos und nicht zuletzt der Alkohol machen in Russland den oft tödlichen Mix.

"Wer sich selbst beschützt, den schützt auch Gott"

Da kam Chefverkehrsinspektor Alexander Ilin aus Jaroslaw die Idee mit den Gottesdienern: "Vielen Fahrern sind wir Polizisten doch völlig egal, aber auf einen Geistlichen hören die Leute." Alles begann mit einer Bitte an die Priester. Sie sollten am Ende ihrer Predigten doch kurz die wichtigsten Straßenverkehrsregeln von der Kanzel rufen.

Religion, vor allem die orthodox-christliche, ist in Russland seit langem im Aufwind. Der Volksglaube tut ein übriges: "Wer sich selbst beschützt, den schützt auch Gott", lautet eine russische Weisheit, an die Vater Pawel in Jaroslaw so manchen Autofahrer in diesen Tagen erinnert. Und: "Das Leben wurde uns von Gott geschenkt. Solch einen Schatz dürfen wir nicht durch Unachtsamkeit fahrlässig in Gefahr bringen."

Wer ein Auge auf Brad Pitt werfen will, muss abbremsen

Viele Fahrer im Gebiet Jaroslaw scheint der Schwarzgewandete zu beeindrucken. 2008 seien in seinem Beritt 17 Prozent weniger Autounfälle tödlich ausgegangen, berichtet Verkehrsinspektor Alexander Ilin stolz. Und das Beispiel machte Schule: Priester als inoffizielle Amtshilfen der Verkehrspolizei findet man in Russland inzwischen oft.

Im sibirischen Omsk allerdings hatten die Verkehrswächter eine ganz andere Erleuchtung. Auch sie holten sich Hilfe von ganz weit oben, doch von einer anderen "Dienststelle". Sie engagierten Brad Pitt als Kollegen. Ehrenamtlich versteht sich - als Pappkameraden. An den gefährlichsten Kreuzungen der Millionenstadt stellten die Beamten eine Kartonkopie des Kinostars in Polizeiuniform auf. "Er ist wie ein echter Kollege für uns", zitieren russische Blätter einen Polizisten. Die Unfallzahlen sollen auch in Omsk bereits gesunken sein, so die Stadtväter. Denn die Autofahrer würden abbremsen, um einen besseren Blick auf den prominenten Hilfspolizisten aus Hollywood zu werfen.

Autor: Markus Reher
Redaktion: Julia Elvers-Guyot