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Zerreißprobe in München

Andreas Noll8. Februar 2008

Trotz des tagelangen Hickhacks über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung reist "mit einem guten Gefühl" nach München zur 44. Internationalen Sicherheitskonferenz.

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Ein bewaffneter Polizist vor dem Hotel Bayerischer Hof
Gut bewachter Tagungsort: das Hotel Bayerischer Hof in MünchenBild: AP

Dabei steht seine gute Laune nicht nur im krassen Widerspruch zu seinen heftigen Wortgefechten mit US-Verteidigungsminister Robert Gates in der Afghanistan-Frage, sondern auch zum Motto der am Freitagabend (08.02.2008) beginnenden Sicherheitskonferenz: "Eine Welt in Unordnung". Auf der dreitägigen Konferenz wird Jung erneut bei seinen Kollegen für seine zurückhaltende Position werben.

Die von den Niederlanden, Großbritannien, Kanada und den USA geforderte Verstärkung für den Süden Afghanistans lehnt Jung weiterhin ab: Es gebe schließlich ein klares Bundestagsmandat und eine Absprache in der NATO, dass Deutschlands Verantwortungsbereich schwerpunktmäßig im Norden Afghanistans liegt. Für Jung ist aber auch klar: "Wenn Freunde in Not sind, helfen wir."

Überlebt die NATO ein Scheitern in Afghanistan?

Franz Josef Jung beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Vilnius
Franz Josef Jung beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in VilniusBild: AP

Das dürfte zwar auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gerne hören. Doch für ihn zählt letztlich nur die dauerhafte Verstärkung der NATO-Präsenz im Süden. Fraglich ist nun, wie lange sich Deutschland und andere europäische Nationen auf die bisherigen regionalen Zuständigkeiten noch berufen können. Denn für die Allianz ist Afghanistan längst zu einer großen Gefahr geworden.

Das glaubt auch Konferenz-Organisator Horst Teltschik: "Das Bündnis hat viele Krisen überlebt und würde ein Scheitern in Afghanistan auch überleben." Für Teltschik ist aber fraglich, ob die NATO in einem solchen Falle überhaupt noch außerhalb des Bündnisgebietes einsatzfähig wäre. Das Bündnis wäre in seinen Grundfesten erschüttert.

EU muss auch in Kosovo-Frage Farbe bekennen

Doch die sicherheitspolitische Rolle der Europäer steht in München nicht nur im Hinblick auf Afghanistan im Mittelpunkt. Angesichts der bevorstehenden Unabhängigkeitserklärung des Kosovos muss die EU auch in dieser Frage Farbe bekennen. Für den neu gewählten serbischen Präsidenten Boris Tadic bietet München die Gelegenheit, in den die Konferenz prägenden zahlreichen informellen Gesprächen über mögliche Reaktionen zu verhandeln.

Dagegen will Vize-Kanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Gelegenheit nutzen, um in München für eine neue globale Abrüstungsinitiative zu werben. Überhaupt sollen auf der traditionell transatlantisch ausgerichteten Konferenz stärker globale Sicherheitsfragen in den Vordergrund treten. Und so freut sich Konferenzchef Teltschik auch besonders über zahlreiche Teilnehmer aus Asien oder Russland.

Nicht über, sondern mit Asiaten reden!

Für seine letzte Konferenz gibt er den Politikern mit auf den Weg: "Alle Europäer und Amerikaner reden immer über die wachsende Bedeutung von Ländern wie China, Japan und Indien." Doch wenn Vertreter dieser Länder in München auf dem Podium säßen und ihre Politik erläuterten, hätten die meisten Europäer bereits den Saal verlassen. "Wir sind sehr gut darin, über diese Länder zu reden, aber wir tun uns aber nach wie vor schwer, mit ihnen zu reden und zu diskutieren. Und das bedauere ich außerordentlich."

Vertreter von Friedensbündnissen überzeugt diese Form des Dialogs ohnehin nicht. Wie in jedem Jahr organisieren sie in der bayerischen Landeshauptstadt Gegendemonstrationen. Hundertschaften der Polizei und Bundeswehr-Soldaten werden allerdings dafür sorgen, dass die Demonstranten dem noblen Tagungshotel Bayerischer Hof nicht zu nahe kommen.