1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lachen für Touristen

20. März 2009

Berlin ist ein Touristen-Mekka. Damit das auch so bleibt, werden die als unhöflich verschrienen Berliner Taxifahrer, Polizisten und Straßenfeger nun zur Freundlichkeit verdonnert.

https://p.dw.com/p/HGRM
Bild: DW

Berlin und seine Berliner müssen viel verkraften: Ganze Stadtbezirke werden von zugezogenen Wessis - wie Westdeutsche von den einheimischen Berlinern immer noch genannt werden - okkupiert und angepasst. Andere Teile, besonders in der historischen Stadtmitte, gehen Straßenzug um Straßenzug an Touristen verloren. An die erste Gruppe muss man sich als Hauptstädter gewöhnen. Bei den Touristen sollte es eigentlich so sein, dass deren Ströme irgendwie gesteuert werden. Verantwortlich dafür ist die Politik, also der Senat von Berlin. Der macht mit viel Leidenschaft gern Politik hauptsächlich für Touristen. Denn die sollen Geld in die Stadt bringen.

Nach dem Englisch-Crashkurs für Taxifahrer zur Fußball-WM, dem Start der völlig überflüssigen "Be Berlin"-Imagekampagne darf der Steuerzahler nun für einen neuen Geniestreich des Senats und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft "Partner Berlin" zahlen. Tausende Taxifahrer, Polizisten, U-Bahn-Fahrer und Straßenfeger bekommen derzeit einen bunten Button aufs Revier geheftet, der sie als freundliche Ansprechpartner für Rat suchende Touristen ausweist. "Mit Herz und Schnauze" heißt die Lächel-Kampagne.

Mit Buttons

Straßenfeger mit Buttons zeigen demnächst also während ihrer Arbeitszeit den vielen Reisegruppen den Weg zum Reichstag. Und wahrscheinlich sollen sie das demnächst auch auf Italienisch, Englisch und Spanisch können.

Dass der Berliner, der für seine Ruppigkeit berühmt und berüchtigt ist, damit ein Teil seiner Identität aufs Spiel setzt, ist vielleicht nicht ganz so schlimm. Ärgerlich aber ist, dass Berlin eine Menge ganz anderer Probleme hat, die das öffentliche Leben erschweren. Aber vielleicht lässt sich das ja zukünftig vereinen.

Wenig Herz, ganz viel Schnauze

Wenn der eigene Sportwagen vor der Haustür abgefackelt wurde, was in den letzen Monaten häufiger in den Schlagzeilen zu lesen war, dann kommt ein freundlich lächelnder Polizeibeamter - "Ihr Ansprechpartner mit Herz und Schnauze" - vorbei und schenkt dem Ex-Autobesitzer eine Zehnerkarte für kostenlose Stadtrundfahrten mit dem Bus. Wenn dieser allerdings Pech hat, dann erlebt er, wie gerade mal wieder ein Busfahrer von Jugendlichen - mit wenig Herz und ganz viel Schnauze - zusammengeschlagen wird und muss die Fahrt frühzeitig beenden.

Zu Fuß geht aber immer - es sei denn, er läuft abends durch eine der No-Go-Areas und kriegt eins aufs Maul, wie der Berliner sagt, weil das mit dem Lächeln vielleicht ganz falsch verstanden wurde. Aber ganz bestimmt bekommt seine Mutter in West-Deutschland dann einen überaus freundlichen Anruf aus dem Krankenhaus, dass ihr Sohn nun zwei Wochen lang das leckere Krankenhaus-Essen mit Berliner und regionalen Spezialitäten genießen kann und sie zu einem kostenlosen Wochenend-Trip nach Berlin eingeladen wird.

Hoffentlich vergeht der Frau Mama dann nicht das Lachen.

Autor: Kay-Alexander Scholz

Redaktion: Oliver Samson