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Neuer Finanzminister

Michael Knigge10. Januar 2013

Mit der Nominierung von Jack Lew als US-Finanzminister signalisiert Präsident Barack Obama einen Richtungswechsel. Statt globaler Finanzkrise und Wall Street-Reform rückt die Konsolidierung des Haushalts in den Fokus.

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Obama und Lew Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Auch wenn der unscheinbar wirkende 57-Jährige mit seiner Rundbrille nicht unbedingt so aussieht: Jack Lew ist der Mann für eine neue Zeit. Seine Vorgänger Timothy Geithner, der frühere New Yorker Notenbankchef, und Hank Paulson, der Ex-Chef von Goldman Sachs, galten als personifizierte Verbindung der Wall Street zum Weißen Haus. Nicht so Jack Lew. Außer einem kurzen Ausflug an die Wall Street ins Management der Citigroup zwischen 2006 und 2009, verfügt Obamas Kandidat für das Finanzministerium über keine nennenswerte Berufserfahrung am wichtigsten Finanzplatz der Welt.

Stattdessen verkörpert Lew nahezu perfekt den Typus des Politik-Technokraten und Washingtoner Insider. Gleich zwei Mal, erst unter Präsident Bill Clinton, dann unter Barack Obama, leitete er das Office of Management and Budget (OMB), die wichtige Haushaltsbehörde des Präsidenten. Vor einem Jahr machte Obama den gebürtigen New Yorker dann zu seinem Stabschef. Nun vertraut er Lew, der bereits als junger Mann als Berater des legendären demokratischen Sprechers des Repräsentantenhauses Tip O'Neill politische Erfahrung in Washington sammelte, die Schaltzentrale seiner Regierung an.

Haushaltspolitik als Priorität

"Mit seiner Wahl kommt klar zum Ausdruck, wo der Kern des Problems liegt, nämlich in der hohen Verschuldung, die gesteuert werden kann durch die zukünftige Haushaltspolitik", sagt Monika Merz, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Denn die drängendsten Probleme der ersten Amtszeit Obamas seien aus Sicht der Regierung inzwischen behoben. Seit der Unterzeichnung des Dodd-Frank-Gesetzespakets durch den Präsidenten im Sommer 2010, gilt die Aufarbeitung der Finanzkrise für die Obama-Administration als politisch erledigt. Und auch die amerikanische Wirtschaft läuft zwar nicht auf Hochtouren, steckt aber im Gegensatz zur Eurozone auch nicht mehr in einer Rezession.

US-amerikanische Geldscheine vor einer USA-Fahne zu sehen. Foto: dpa/lsn
Lew wird sich vorrangig um den US-Haushalt kümmern müssenBild: picture alliance/dpa

Um die schwierigste Hausaufgabe der USA, die Washington seit Jahren vor sich herschiebt, soll sich nun Jack Lew kümmern: den amerikanischen Staatshaushalt zu sanieren und die Schuldenmacherei des Landes unter Kontrolle bringen.

"Für die Rolle, die er innenpolitisch bei Haushaltsthemen spielen muss, ist er eine ausgezeichnete Wahl", betont Mark Hallerberg, Professor für Politische Ökonomie an der Berliner Hertie School of Governance. "Er ist mit Budgetfragen bestens vertraut."

Mit dem Abgang von Geithner und der Nominierung Lews signalisiert Obama den Experten zufolge vor allem seinen Willen mit der Haushaltskonsolidierung endlich Ernst zu machen. Aus gutem Grund, so Merz: "Wenn die USA ihren Haushalt und auch das große Schuldenproblem nicht in den Griff bekommen, dann werden die Finanzmärkte reagieren."

Keine Schonfrist

Viel Zeit zum Einarbeiten hat Lew nicht. Ende Februar wird vermutlich die Schuldenobergrenze erreicht. Auch die beim so genannten Fiskalklippen-Kompromiss vor wenigen Wochen ausgeklammerten drastischen Ausgabenkürzungen greifen dann, sofern kein Ausweg gefunden wird. Die Lösung beider Probleme erfordert nicht nur detaillierte Zahlenkenntnis, sondern auch politisches Verhandlungsgeschick mit den im Repräsentantenhaus tonangebenden Republikanern.

Eine Uhr im Senatsgebäude in Washington. Foto: AP/dapd
Die Uhr tickt - mal wieder - für die USA, um die Schulden des Landes in den Griff zu kriegenBild: dapd

"Seine Aufgabe ist es die Regierung bei den Haushaltsverhandlungen zu vertreten und darin ist er offenbar sehr erfolgreich", erläutert Hallerberg. "Das hat er nicht nur 2011 gemacht, sondern er war schon in den 90er-Jahren unter Clinton an den Haushaltsverhandlungen beteiligt."

Lew gilt Experten zufolge als ausgebuffter Taktiker, der die Interessen der Demokraten hartnäckig vertritt und als Kämpfer gegen Kürzungen der Sozialprogramme, so wie sie von den Republikanern gefordert werden. Sollte es bei den anstehenden Verhandlungen jedoch tatsächlich zu dem seit langem erhofften, aber schwer zu realisierenden "Grand Bargain", also einem allumfassenden Kompromisspaket aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen, kommen, dann, so Hallerberg, werde Lew ganz sicher einer der Architekten sein.

Fokus auf die USA

Der Zeitenwandel, den der Wechsel von Geithner zu Lew einläutet, wird auch an den europäischen Finanzministern nicht spurlos vorbeigehen. Im Gegensatz zum noch amtierenden Finanzminister Geithner, der Berlin und Brüssel in den vergangenen Jahre gelegentlich ein mangelndes Krisenmanagement vorwarf, sind von seinem Nachfolger ruhigere Töne zu erwarten.

"Seine Sorge gilt den USA", sagt Hallerberg. "Ich weiß nicht, ob er überhaupt über irgendwelche internationale Erfahrung verfügt." Natürlich werde Lew bei den wichtigen globalen Finanzgipfeltreffen präsent sein und "sagen was er sagen muss", ergänzt Hallerberg, "aber das wird nicht seine Priorität sein."