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Europäische Entwicklungstage

23. Oktober 2009

Krise? Welche Krise? Auf den Europäischen Entwicklungstagen in Stockholm fordert der Nobelpreisträger Mohammed Yunus, Entwicklungshilfe grundsätzlich zu überdenken, um sie von Weltwirtschaftskrisen unabhängig zu machen.

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Muhammad Yunus, Nobel Peace Laureate, 2006, and Managing Director of the Grameen Bank speaks during the European Development Days meeting in Stockholm, Thursday Oct. 22, 2009. The European Development Days are a yearly event hosted jointly by the European Commission and the EU Presidency, bringing some 4 000 people and 1 500 organizations from the development community together. (AP Photo/Scanpix/Maja Suslin) ** SWEDEN OUT **
Muhammed Yunus geht neue WegeBild: AP

Auf den Europäischen Entwicklungstagen werden viele Reden von Staatschefs und Funktionären gehalten. Die Finanzkrise wird beschworen, viele Gründe werden gefunden, warum Entwicklungshilfe nicht funktioniert und immer mehr Menschen hungern. Daneben zeigen Hilfsorganisationen und Basisgruppen in einer Messehalle, ihre Ansätze für Entwicklungshilfe. Ein gefragter Experte ist Mohammed Yunus aus Bangladesh, der mit seiner Idee vom sozialen Unternehmen die Entwicklungshilfe revolutionieren will. Für die Gründung einer Bank, die Kleinstkredite an arme Gründer vergibt, bekam Yunus 2006 den Friedensnobelpreis.

Mehr soziale Unternehmen

EU-Entwicklungshilfekommissar Karel de Gucht (Foto: AP)
EU-Entwicklungshilfekommissar Karel de GuchtBild: AP

Der gut gelaunte, gütig dreinblickende Unternehmer aus Bangladesch wird nervös, wenn er vom EU-Entwicklungskommissar Karel de Gucht hört, dass die Mitgliedsstaaten der EU Schwierigkeiten haben, ihre Zusagen für Entwicklungshilfe einzuhalten. Die Wirtschaftskrise sei Schuld, so Karel de Gucht. Für Mohammed Yunus ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass das bisherige Modell der Finanzierung von Entwicklungshilfe gescheitert ist.

Statt nur auf die Summen zu schielen, die in die ärmsten Länder geschaufelt werden, will Mohammed Yunus, die Methoden revolutionieren. In Bangladesh hat er eine Reihe von so genannten sozialen Unternehmen aufgezogen, die keine Gewinne machen, aber auch nichts verschenken. Er verkauft zum Beispiel sauberes Trinkwasser an die Ärmsten der Armen. Die Kunden müssen ein ganz klein wenig zahlen. Dafür seien sie sicher, dass das Wasser gesund ist, so Mohammed Yunus. "Weil wir ein soziales Unternehmen sind, können wir das Wasser nicht umsonst verteilen. Wir müssen unsere Kosten decken. Dinge umsonst zu verteilen, funktioniert auf die Dauer nicht. Und genau das ist ein neues Konzept."

"Nichts zu verschenken"

Schulen aus Lehm und Bambus in Bangladesch (Foto: dpa)
Schulen aus Lehm und Bambus in BangladeschBild: picture-alliance/ dpa

Der diplomierte Volkswirt Yunus vergibt nicht nur Kleinkredite, inzwischen verkauft er auch kleine Solarstromanlagen, stellt billige Schuhe her und bildet Krankenschwestern aus. Nach einer Anschubfinanzierung tragen sich die sozialen Unternehmen alle selbst. Der Nobelpreisträger wirbt dafür, nur zehn Prozent der normalen staatlichen Entwicklungshilfe nicht den traditionellen Hilfsorganisationen oder Regierungsagenturen zu geben, sondern in einen Gründer-Fonds zu investieren: "Ich sage, wir starten mit zehn Prozent, später 20 oder 30 Prozent, wenn es gut läuft. Das Geld einfach so an Hilfsorganisationen zu geben, führt zu nichts. Die Leute hier sind frustriert weil sie fragen, wo ist unser Geld geblieben. Die Leute in Bangladesh oder anderswo sind frustriert, weil sie nicht wissen, was mit der Entwicklungshilfe passiert."

Als ein soziales Unternehmen habe er dagegen ein konkretes Produkt oder eine Dienstleistung vorzuweisen: "Wir haben eine Bilanz, einen Kontoauszug, sie wissen konkret, was passiert. Sie können es anfassen, befühlen und zeigen, dass die Firma arbeitet. Wenn sie nicht erfolgreich ist, vergessen Sie es oder verbessern sie es."

Mehr Hilfe für weniger Geld

Neues Modell damit Hilfe dort ankommt, wo sie wirklich gebraucht wird (Foto: dpa)
Neues Modell damit Hilfe dort ankommt, wo sie wirklich gebraucht wird

Seine Gesprächspartner in Stockholm, zum Beispiel der Chef der schwedischen Entwicklungsagentur zögern. Doch der 69-jährige Mohammed Yunus erklärt mit leuchtenden Augen, dass die sozialen Unternehmen viel preiswerter Entwicklungshilfe leisten könnten als traditionelle Hilfsmodelle, die auch noch für Korruption anfällig sind. Seine sozialen Unternehmen hätten nichts zu verschenken, denn sie seien immer noch ein Geschäft:

"Sie bauen keine große Verwaltung auf, weil sie ja rentabel arbeiten müssen. So achtet man von Anfang an darauf, die Kosten niedrig zu halten. Die Leute müssen am Ende, das Produkt ja kaufen. Also muss der Preis stimmen oder die Firma macht kein Geschäft."

Mohammed Yunus arbeitet auch mit großen europäischen Konzernen zusammen, um soziale Unternehmen zu gründen. Sein Modell, sagt er, könne man auch auf den Umweltschutz anwenden. Wiederaufforstung und nachhaltige Energieversorgung seien ideale Felder für gemeinnützige Unternehmen an der Basis.

Autor: Bernd Riegert

Redaktion: Heidi Engels