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Mit Pockenviren leben?

Christine Harjes13. Mai 2002

2002 sollte das Todesjahr der Pockenviren werden. Die Weltgesundheitsorganisation wollte die letzten Stämme der tödlichen Viren vernichten. Jetzt sollen die Pockenerreger doch bleiben: Rüstung gegen Bioterrorismus.

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Seuchen der Vergangenheit als Bedrohung der Zukunft?Bild: AP

Zwei offizielle Stämme des mörderischen Pockenvirus leben noch: Einer im Labor der US-Seuchenbehörde in Atlanta, der andere im Staatlichen Russischen Forschungszentrum bei Nowosibirsk. Eigentlich sollten auch sie längst ausgerottet sein. Doch aus Angst vor Bio-Angriffen schiebt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Todestag der letzten Pockenviren immer wieder hinaus.

Tod den Viren

"Pockenfrei": So lautete die Erfolgsmeldung der Weltgesundheitsorganisation am 8. Mai 1980. Zum ersten und bisher einzigen Mal konnte eine Krankheit ausgerottet werden. Massenimpfungen auf der ganzen Welt hatten den unberechenbaren Krankheitserreger besiegt.

22 Jahre später sollte es nun endlich soweit sein: Auch die letzten Pockenviren in den Laboren sollten dieses Jahr vernichtet werden. Doch wieder sieht es nach einem weiteren Aufschub aus. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und den Milzbrand-Angriffen in den folgenden Monaten sei die Vernichtung der Stämme jetzt politisch unmöglich, heißt es aus einem Gremium der WHO. Länder wie der Irak oder Nordkorea könnten über Bestände von Pockenviren verfügen und sie für Biowaffen verwenden. Zu Verteidigungszwecken müsse deshalb weiter an lebenden Pockenstämmen geforscht werden.

Riskante Restbestände

Über eine neue Ausrottungsfrist werden die 191 Mitgliedstaaten der WHO jetzt auf der 55. Generalversammlung, die vom 13. bis 18. Mai 2002 in Genf stattfindet, abstimmen. Kontroverse Diskussionen wird es jedem Fall mit China und Kuba geben. Beide Länder wünschen sich die sofortige Vernichtung der gefährlichen Stämme.

Auch Professor Herbert Schmitz, Experte für Viruserkrankungen am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, hält die Laborstämme für überflüssig. Die Sequenz der Viren sei bekannt und ein Impfstoff bereits vorhanden. "Das Ganze ist ein bisschen merkwürdig. Wenn man bedenkt, dass die Erreger der Milzbrandbriefe wahrscheinlich aus amerikanischen Labors kamen, ist es doch sehr fraglich, ob die Pockenviren in den Laboren sicher sind!"