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Mit Promi-Bonus ins Parlament

16. Juni 2004

Die Politiker haben keinen guten Ruf. Darum haben sich viele Prominente Chancen ausgerechnet und fürs EU-Parlament kandidiert. Aber reingekommen sind nur wenige: Schönheit oder Nobelpreis allein reichen offenbar nicht.

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Schön verloren: Model Carmen Kass schaffte es nicht nach Straßburg

Der Bergsteiger Reinhold Messner geht - dafür ziehen andere Berühmtheiten ins Europaparlament ein. Doch der Massenauftritt von Promis, ob befürchtet oder erhofft, blieb aus. Denn nicht alle, die wollten, durften auch. Ex-Pornostar Dolly Buster (34) zum Beispiel, die in Tschechien antrat, bekam mit ihrer "Unabhängigen Initiative" nur knapp ein Prozent der Stimmen. Vielleicht lag das daran, dass sie unter ihrem bürgerlichen Namen Nora Baumberger kandidieren musste.

Auch ein Literaturnobelpreis öffnet nicht alle Türen, deshalb hatte der portugiesische Schriftsteller José Saramago (81) keinen Erfolg. Er stand ohnehin weiter hinten auf der Liste der Kommunisten.

Und noch mehr Promis sind gescheitert.

Model bleibt draußen, Hockeyspieler darf rein

Vor allem in Osteuropa haben viele Prominente aus Fernsehen, Sport und Kultur kandidiert - und einige dürfen jetzt getrost weiter ihrem ursprünglichen Job nachgehen. Das estnische Supermodel Carmen Kass erreichte nur Platz 26 unter 95 Kandidaten, zu wenig. Dabei wollte die 25-Jährige so gerne "Estland etwas zurückgeben", und ihre konservative Partei "Res Publica" bescheinigte ihr "eine Menge guter Ideen". Kass hat Geld, aber keine politische Erfahrung. Und dabei bleibt es wohl erstmal, zumindest auf EU-Ebene.

Vielleicht hätten sie alle in ihrer Jugend Schlittschuh laufen sollen. Denn in der slowakischen Hauptstadt Bratislava wurden die Christdemokraten mit dem Ex-Eishockeystar Peter Stastny (47) als Spitzenkandidat zum Sieger der Europawahl ausgerufen. Der einstige Superstar aus der National Hockey League in den USA wurde für die Europawahl in seine Heimat "reimportiert" - wie auch Carmen Kass nach Estland.

Hilfe vom "Denver-Biest"

Also: Einige Glamour-Kandidaten haben doch Stimmen abgestaubt. In Großbritannien profitierte der Ex-BBC-Moderator Robert Kilroy-Silk (61) mit seiner Anti-EU-Gruppierung "UK Independence Party" kräftig von den innenpolitischen Problemen von Premierminister Tony Blair. TV-Star Joan Collins (71) leistete Schützenhilfe. Kilroy-Silk war bei der BBC gefeuert worden, weil er abwertende Bemerkungen über Araber gemacht hatte.

Mindestens so entschlossen im Stil wie das einstige "Denver-Biest" Collins erkämpfte sich in Italien die rothaarige Starjournalistin Lilli Gruber (47) einen Platz im Europaparlament - mit harten Verbal-Attacken gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Kosmonaut landet in Straßburg

Die finnischen Konservativen hatten den vierfachen Rallyeweltmeister Juha Kankkunen und die attraktive TV-Sportmoderatin Viivi Avellan ins Rennen geschickt, um "neue Wählerschichten zu erschließen". Das ging daneben. Genauso wie die Kandidatur der Miss Europe von 1976, Riitta Väisänen (die jetzt Pferde züchtet und eine Funshow moderiert) und ihrem Parteifreund Kari Salmelainen, der im Hauptberuf eine TV-Datingshow ansagt. Ein Finne sitzt trotzdem im Parlament - allerdings für die französischen Konservativen: Ex-Rallyefahrer Ari Vatanen.

Der wird auf der kurvenreichen Schotterpiste der Europapolitik noch seinen Spaß haben, ebenso wie der 55-jährige Kosmonaut Vladimir Remek aus Tschechien, der jetzt kommunistischer Abgeordneter ist. 26 Jahre nach seinem Flug ins All war die EU-Wahl wahrscheinlich ein Leichtes. Dolly Buster dagegen durfte weder für sich selbst noch für überhaupt irgendjemanden stimmen: Ihr Name stand nicht im Wählerverzeichnis. (reh)