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Mit seiner kommunistischen Vergangenheit hat Rumänien kaum aufgeräumt

21. April 2005

Noch immer sind ehemalige Kader des Ceausescu-Regimes in der Politik aktiv. Ein so genanntes Lustrationsgesetz soll einstige Funktionäre und Geheimdienstmitarbeiter von öffentlichen Ämtern ausschließen.

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Nicolae Ceausescu, hier mit Frau Elena auf dem letzten Parteitag der Kommunisten 1989Bild: AP

Rumänien ist eines der Länder in Osteuropa, die mit ihrer kommunistischen Vergangenheit besonders wenig aufgeräumt haben. Inzwischen sind mehr als fünfzehn Jahre vergangen seit dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu. Doch noch immer sind viele ehemalige Kader des Ceausescu-Regimes in der Politik aktiv, darunter Funktionäre des Parteiapparates bis hin zu Offizieren und Spitzeln des einstigen kommunistischen Geheimdienstes Securitate. Prominente Beispiele: der einstige Ceausescu-Zögling, spätere Reformkommunist und dreimalige postkommunistische Staatspräsident Ion Iliescu. Oder: Corneliu Vadim Tudor - ehemaliger Hofdichter Ceausescus und Securitate-Spitzel. Die einstigen Kader finden sich aber nicht nur in ausnahmslos allen Parlamentsparteien, sondern auch überall im Staats- und Verwaltungsapparat.

Alten Kadern soll Zugang zu Ämtern verwehrt werden

Der 38-jährige Historiker und Publizist Adrian Cioroianu, der für die Nationalliberalen im Parlament sitzt, hat diese Situation zum Anlass genommen, um ein so genanntes Lustrationsgesetz auszuarbeiten. Damit soll ehemaligen hochrangigen Funktionären wie ZK-Mitgliedern oder früheren Geheimdienstmitarbeitern der Zugang zu politischen Ämtern oder bestimmten Verwaltungsposten verwehrt werden. Sie sollen beispielsweise nicht mehr Parlamentsabgeordnete oder Botschafter werden dürfen oder leitende Positionen in der Justiz, der Polizei, dem Zoll oder der Lokalverwaltung bekleiden können. Es sei nicht das Ziel des Gesetzes, konkrete Personen persönlich zu treffen, sagt Adrian Cioroianu: "Es geht nicht um eine Lex Ion Iliescu oder darum, Leute ‚aufzuknüpfen’. Es geht einfach ums Prinzip. Das Lustrationsgesetz soll kein Schicksal zerstören, sondern einfach die politische Landschaft säubern."

Mehrere erfolglose Anläufe im Parlament

Vor gut einer Woche hat Cioroianu den Gesetzentwurf im Parlament eingebracht. Das Gesetzesprojekt ist nicht der erste Versuch, im rumänischen Parlament ein Lustrationsgesetz zu verabschieden. Bereits 1990, nur Monate nach dem Sturz Ceausescus, forderten antikommunistische Demonstranten im westrumänischen Temesvar, dass ehemalige Funktionäre nicht für politische Ämter kandidieren sollten. Obwohl hunderttausende Menschen die "Proklamation von Temesvar" unterstützten, schaffte sie es nicht ins Parlament. Ein zweites Gesetzesprojekt kam zwar 1999 ins Parlament, wurde aber nie im Plenum debattiert.

Keine breite gesellschaftliche Unterstützung

Adrian Cioroianu hat nun die "Proklamation von Temesvar" für einen dritten Versuch als Vorlage genommen. Mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung wie 1990 rechnet er jedoch nicht mehr. Er sagt: "Es ist nicht überraschend, dass die Menschen jetzt andere Prioritäten haben. Sie suchen Arbeit und wollen besser leben. Ich denke aber, dass solch ein Gesetz vor allem ein Test für die Parteien ist, vor allem, da doch im vergangenen November ein Wechsel stattgefunden hat. Ein Lustrationsgesetz vorzuschlagen dient auch dazu, die Reaktion der gegenwärtigen politischen Elite zu testen."

Wann das Gesetz vom Parlament debattiert werden wird, ist derzeit noch unklar. Verkompliziert wird die Situation dadurch, dass dem Parlament bereits ein weiteres Lustrationsgesetz vorliegt, initiiert unter anderem von dem Abgeordneten Cosmin Gusa. Er genießt jedoch nicht das Vertrauen der früheren antikommunistischen Revolutionäre aus Temesvar, da er mehrfach die Partei gewechselt hat und unter anderem auch bei den bis November letzten Jahres regierenden Ex-Kommunisten Mitglied war. Erst vor kurzem war Gusa aus der Demokratischen Partei des Staatspräsidenten Traian Basescu ausgetreten.

Präsident Basescu äußert sich vorsichtig

Basescu hält deshalb auch nicht viel von dem Lustrationsgesetz seines ehemaligen Parteifreundes, wie er dem bekannten rumänischen Journalisten Carol Sebastian letzte Woche in einem Interview sagte. "Die Diskussion um so ein Gesetz", meinte Basescu, "kann wichtig werden, wenn sie im Parlament stattfindet. Wenn nicht, dann ist sie nur ein Mittel, durch das gewisse verblichene Politiker noch einmal den Kopf erheben und sagen: 'Ich bin auch noch da’." Grundsätzlich würde er ein Lustrationsgesetz jedoch unterstützen, mit allen seinen Konsequenzen, so Basescu in dem Interview.

Adrian Cioroianu will nun aus den beiden Gesetzesvorlagen eine gemeinsame erarbeiten. Ob sie jemals verabschiedet wird, darüber will er keine Prognose wagen. Eine Reihe von Kollegen im Parlament hätte ihm jedoch Zustimmung signalisiert: "Ich wusste, dass der Staatspräsident eine solche Initiative unterstützen würde. Ich weiß von Kollegen aus der National-Liberalen Partei und der Demokratischen Partei, dass sie ein solches Gesetz unterstützen, sogar von Kollegen aus der Sozialdemokratischen Partei, also den Ex-Kommunisten. Ja, tatsächlich, ich kenne Leute bei ihnen, die ein solches Gesetz wollen, damit die Partei endlich aus dem Schatten einer nebligen, unklaren Vergangenheit tritt. Und um noch einmal auf den Staatspräsidenten Traian Basescu zurückzukommen, natürlich ist seine Unterstützung besonders wichtig."

Keno Verseck
DW-RADIO/Rumänisch, 20.4.2005, Fokus Ost-Südost