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Mit Stöcken für die Zukunft kämpfen

25. März 2011

Traditionelle Stockkämpfe sollen Jugendliche in den für Drogen und Gangs berühmt berüchtigten Cape Flats bei Kapstadt davon abhalten auf die schiefe Bahn abzurutschen. Eine alte Tradition wird wiederbelebt.

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Kids in den Cape Flats beim Stockkampf. (Foto: DW)
Sport und Selbstverteidigung: traditionelle StockkämpfeBild: Dagmar Wittek

Auf einem holprigen Bolzplatz umgeben von Wellblechhütten, winzigen Häuschen und jeder Menge herumliegendem Müll schlagen 20 Kinder und Jugendliche mit Holzstöcken aufeinander ein. Um sie herum springt mit konzentriertem Blick und immer wieder Befehle zurufend der 34-jährige Vuyisile Dyolotana. Der selbsterklärte Stockkampftrainer erläutert die Regeln: ein Schlag auf den Kopf bringt sechs Punkte ein, der Hals fünf, der Brustkorb nur vier. Stochern ist nicht erlaubt, denn das könnte ins Auge gehen.

Nix für Weicheier

Zwei Mädchen beim Stockkampf (Foto: DW)
Auch die Mädchen sind mit Begeisterung dabeiBild: Dagmar Wittek

"Das ist kein Sport für Weicheier", sagt Dyolotana. Schmerz müsse man schon wegstecken können, aber weh tue sich selten jemand, dafür benutzten sie ja schließlich Helme. "Nur manchmal fließt etwas Blut", erläutert der Trainer lachend, während er die beiden Jungs, Asandi und Ngobeka, beim Kampf beobachtet. Die beiden sind 11 Jahre alt. Flink ducken sie sich weg, greifen an, verziehen das Gesicht zur Grimasse, wenn der andere sie erwischt hat.

Nach vier Minuten wird der Kampf abgepfiffen. Eine kleine Übungsrunde. Gewonnen hat Asandi. Seit knapp einem Jahr kommt er zweimal die Woche zum kostenlosen Training. Er möge die Stockkämpfe, Messer und Schießgewehre seien ihm zu gefährlich. Er fühle sich jetzt viel fitter und stärker als vorher. "Ich kann mich jetzt auf der Straße, zum Beispiel auf dem Schulweg und auf dem Weg nach Hause besser durchsetzen", sagt Asandi.

Gefährliches Pflaster

Stockkampf-Trainer Vuyisile Dyolotana (Foto: DW)
Bringt Tradition und harte Realität zusammen: Trainer Vuyisile DyolotanaBild: Dagmar Wittek

Phillipi in den Cape Flats ist ein heißes Pflaster. Die Arbeitslosenrate liegt bei über 80 Prozent. Drogenkriminalität, Gangstertum, Mord und Schießereien gehören zum Alltag. Wer überleben will, macht in der Regel mit. Clubs, Vereine, Sporteinrichtungen gibt es kaum. Vuyisiles Stick Fighting Company ist für Ngobeka so etwas wie ein Rettungsanker. "Da komme ich nicht auf dumme Ideen, und fange nicht an zu stehlen oder in anderer Leute Häuser einzubrechen", sagt der 11-jährige fast weise.

Zum ersten Mal macht er etwas regelmäßig. Um gut zu sein in der Kampfsportart muss man diszipliniert sein, trainieren, sich konzentrieren, Schmerz wegstecken und trotzdem weitermachen. In der Schule ist er seitdem viel besser geworden und er hat eine Idee entwickelt, was er später einmal machen will: reisen und Stockkämpfe in anderen Ländern zeigen. "Aber dafür muss ich noch hart arbeiten und erst die Schule fertig machen", sagt er leichthin. Sein großer Traum sei aber, Arzt zu werden, "weil ohne Ärzte viele Menschen auf dieser Welt nicht überleben würden."

Trainer und kids beim Stockkampf-Training (Foto: DW)
Die Kids werden selbstbewusster und können sich besser verteidigenBild: Dagmar Wittek

Zukunftsperspektiven entwickeln

Damit die Kinder überhaupt Perspektiven entwickeln können, will Trainer Vuyisile ihnen Disziplin beibringen und ihnen zeigen, dass es sich lohnt, sich an Regeln zu halten. Die Stockkämpfe zeigen, dass man sich auch mit Fairness durchsetzen kann. Das regelmäßige Trainieren erfordert Durchhaltevermögen, aber es gibt den Jugendlichen auch eine Aufgabe. Und monatliche Wettkämpfe sind etwas, auf das sie hinarbeiten können.

Die traditionelle Kampfsportart wird in ganz Afrika in verschiedenen Formen ausgeübt. Trainer Dyolotana bringt den Jugendlichen die Regeln der Volksgruppe der Xhosa aus dem Südostkap bei. Gekämpft wird mit zwei harten, dünnen Stöcken. Früher auf dem Land seien Stockkämpfe seine liebste, aber auch einzige, Freizeitbeschäftigung gewesen, so Dyolotana. "Stockkämpfe gab es immer zu Hochzeiten als Showeinlage, es gab sie anlässlich der Inititationsriten. Selbst heute findet das alles noch statt", so der zierliche junge Mann. Mit den Nachbardörfern werden Wettkämpfe veranstaltet und das möchte Dyolotana nun in den Cape Flats auch einführen. Auf dem Land sei das ihre Unterhaltung gewesen, so wie Kino oder Fernsehen heute. Aber: "Es ist auch eine hervorragende Selbstverteidigungstechnik".

Alltägliche Gewalt

Vor allem in den Cape Flats wie Phillipi, Nyanga und Crossroads wo der Alltag von Drogenkartellen, jugendlichen Gangs und immer wieder blutigen Straßenschlachten bestimmt wird, sei effektive, möglichst unblutige Selbstverteidigung ungeheuer wichtig, erklärt Dyolotana. "Die Kinder werden hier auf offener Straße Opfer von Gewalt, sie werden vergewaltigt und missbraucht." Mit Hilfe der Stöcke könnten sie sich aber selbst schützen. Der ehemalige Profi-Stockkämpfer sagt: "Unser Ziel ist es, dass sie Konflikte mit Stöcken lösen, statt mit Messern und Pistolen".

Autorin: Dagmar Wittek

Redaktion: Nicola Reyk