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Mitdenken in der intelligenten Fabrik

21. April 2017

"Smart Factories" entwickeln und testen die Komponenten der Industrie 4.0, die erst in ein paar Jahren in die realen Fabriken Einzug haben werden. Die Zukunftsfabriken sind wie Pilze aus dem Boden geschossen.

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Deutschland | Lernfabrik Bochum
Bild: M. Jordanova-Duda

Einen 3D-Drucker haben die meisten Seminarteilnehmer schon mal live gesehen. Die anderen Sachen sind für sie brandneu. An fünf Stationen demonstriert die Lernfabrik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) Assistenzsysteme für Montage, Instandhaltung und Qualitätsprüfung, additive Fertigung, kollaborative Roboter und virtuelle Inbetriebnahme. Manches darf man selbst ausprobieren. Etwa den kleinen Roboter, den kein Schutzzaun von den Besuchern trennt. Er hilft älteren Mitarbeitern, die nicht mehr viel Kraft haben, bei der Montage. Zusammen verschrauben der Werker und der kollaborative Roboter ein Pumpengehäuse: Der eine dreht die Schrauben locker rein, der andere befestigt sie.

Die Besucher sind Betriebsräte aus meist mittelständischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Berlin. Auf Einladung der Gewerkschaft IG Metall schauen sie sich am Lehrstuhl für Produktionssysteme (LPS) der RUB die Fertigung von morgen an. "Um vor den Kollegen zu wissen, was auf uns zukommt", sagt Claudia König, die bei einem Fahrstuhl-Hersteller arbeitet. Die Technik sei toll, aber die Frage sei, welche Auswirkungen sie auf die Menschen haben wird, die damit arbeiten. "Als Betriebsräte müssen wir diesen Prozess begleiten und regeln. Um auf Augenhöhe mit dem Management diskutieren zu können, informieren wir uns hier."

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Informieren, um auf Augenhöhe diskutieren zu könnenBild: M. Jordanova-Duda

Gute Arbeit im Mittelpunkt

Die Schulungen, die der LPS und die Gemeinsame Arbeitsstelle RUB/IG Metall für Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute aus ganz Deutschland veranstalten, sind einzigartig: "Im Mittelpunkt steht nicht die Produktionsoptimierung, sondern die gute Arbeit 4.0", so Jochen Schroth vom Vorstand der IG Metall. Konzipiert wurden sie von Ingenieuren und Sozialwissenschaftlern gemeinsam.

"Öschli goes Industrie 4.0" heißt eine Lernübung: Eine kleine Firma mit alternder Belegschaft, die Öschli GmbH, hat einen hohen Krankenstand. Die Maschinen stehen häufig still und verursachen Kosten. Außerdem soll das Produkt, ein Flaschenverschluss, nun in mehreren Varianten angeboten werden. Also zeigt eine AssistApp dem "Monteur" auf einem Tablet, was er zu tun hat. Manche Teilnehmenden fühlen sich vom System, das sie Schritt für Schritt anleitet, abgelenkt oder bevormundet. Noch mehr fürchten sie jedoch, dass es auf diese Art und Weise "jeder Dummie" schaffen könnte, dass also qualifizierte Arbeit abgewertet wird.

Die Technik könnte allerdings auch Arbeit aufwerten, sagt Ingenieur Henning Oberc, der die Montageassistenz mitentwickelt hat. Etwa dort, wo in einer Vielzahl an Varianten produziert wird. Mehr als 200 Produkte kann auch ein erfahrener Monteur nicht überblicken. Noch wichtiger ist, dass die Teilnehmenden hier das System mit ihren Anregungen verbessern können.

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Was heute unspektakulär wirkt, wird morgen das Arbeitsleben umkrempelnBild: M. Jordanova-Duda

Smarte Fabrik aus Ostwestfalen

Erster Eindruck von der Lernfabrik: "Es ist dreckig und es ist keine Science Fiction. Mir hat das die Angst genommen", sagt Stefanie Siegmund. Ihr Kollege Nico Augner merkt, "wie arbeitsintensiv die Tools noch sind und wie genau die Planung sein muss".

Die Smart Factory in Lemgo würde ihnen viel "aseptischer" vorkommen. Die lichte Halle ist voll gespickt mit verschiedenen WLAN-Systemen, Kameras und Sensoren. Die Zukunftsfabrik wurde im April 2016 eröffnet und ist ein Kooperationsprojekt der Hochschule OWL (Ostwestfalen Lippe) und des Fraunhofer Anwendungszentrums Industrielle Automatisierung (INA) mit Unterstützung der regionalen Wirtschaft. Rund 8000 Besucher aus Hochschulen, Verbänden und Gewerkschaften kamen im ersten Jahr nach Lemgo, um etwa Anlagen zu sehen, die ihr eigenes Verhalten analysieren, um Energie zu sparen oder Werkzeug, das sich nur einschaltet, wenn es an der richtigen Stelle angesetzt wird.

Kleine Firmen können sich auch etwas abschauen

In der OWL-Region sind viele Pioniere der Automatisierung und Digitalisierung angesiedelt: Bosch Rexrodt, Phoenix Contact, Beckhoff, Weidmüller, um nur einige zu nennen. Hier können sie ihre neuen Anlagen testen und optimieren lassen. Ein Labor für Cybersicherheit soll Manager wie auch Werker schulen, Hackerattacken auf die vernetzte Produktion zu erkennen und zu vermeiden.

Auch kleine Firmen können sich das Passende hier abschauen. Ihnen bietet die Smart Factory Beratung und Checks vor Ort. "Industrie 4.0 ist kein Standardprodukt. Auch bedeutet sie nicht, dass man seinen ganzen Betrieb umkrempeln muss", betont Ingenieurin Nissrin Perez: "Man kann schon mit überschaubaren Investitionen die Qualität der Produkte oder die Effizienz der Produktion verbessern." Beispiel: Einem Hersteller von Ampel-Druckknöpfen, so genannten Signalgebern, halfen die Wissenschaftler, ein Assistenz-System in der Qualitätskontrolle einzusetzen. Es leitet den Mitarbeiter mit Bildern und Text an. Wenn dennoch etwas falsch läuft, vibriert ein spezielles Armband.