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Mitte-Links auf Sinnsuche

15. Juli 2003

Staats- und Regierungschefs von Mitte-Links-Parteien haben in der Nähe von London über "Modernes Regieren" beraten. Standortbestimmung und die Auseinandersetzung mit der Politik der USA waren die wichtigsten Themen.

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Tony Blair und Gerhard Schröder: Einst Vorreiter des "neuen Europa"Bild: AP

Auf der Suche nach einem "Dritten Weg" zwischen Konservativen und Sozialisten gab es kontroverse Debatten mehrerer Regierungschefs der linken Mitte über die Außenpolitik der USA. Dabei verteidigte der britische Premierminister Tony Blair die amerikanische Politik. "Es wäre ein schrecklicher Fehler der Linken, wenn sie sich als antiamerikanisch definieren würde", sagte Blair. Dies würde nur denen in die Hände spielen, die Amerika auf einen strikten Unilateralismus festlegen wollten. Nach den Anschlägen vom 11. September hätten die "fortschrittlichen" Staaten Verständnis für die amerikanischen Sorgen über "Terrorismus, Schurkenstaaten und die Möglichkeit furchtbarer Zerstörung als Kombination dieser beiden".

Meinungsverschiedenheiten ausdiskutieren

Nicht alle teilnehmenden Regierungschefs zeigten sich jedoch mit dem US-amerikanischen Weg einverstanden. "Wenn ich eines an den Amerikanern bewundere, dann ist es erstens, dass sie zuerst an sich selbst denken, zweitens an sich selbst und drittens immer noch an sich selbst", sagte der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Polens Präsident Alexander Kwasniewski hingegen verteidigte die Politik der USA und erklärte, es sei nicht wahr, dass die USA nicht zu uneigennützer Hilfe fähig seien. Als Beispiel nannte er den Marshall-Plan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die Führungsrolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus verdiene Respekt statt Misstrauen.

Die Regierungschefs aus Ungarn und Rumänien, Peter Medgyessy und Adrian Nastase, machten einen Mangel an internationalem Dialog für eine Tendenz der USA zu Alleingängen verantwortlich. Tony Blair forderte die Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zur Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten bei der Terrorismusbekämpfung auf. Im Gegenzug müsse Washington "als unser Partner" in Fragen des Welthandels, der weltweiten Armut oder beim Klimawandel kooperieren. Auch im Nahost-Friedensprozess seien die USA unerlässlich.

Mitte-Links: Ein Anachronismus?

An der dreitägigen Konferenz über "Progressive Governance" ("Modernes Regieren") nahmen mehrere hundert Delegierte aus 30 Staaten teil. Zu den Themen gehörten Chancengleichheit, Zuwanderung, Klimaschutz und Regeln für einen fairen Welthandel. Das erste derartige Treffen von Mitte-Links-Politikern fand vor sechs Jahren statt. Die politischen Voraussetzungen waren vollkommen andere als heute: 1997 waren elf von fünfzehn Regierungschefs der EU sozialdemokratisch. Im Weißen Haus regierte Bill Clinton. Blair und Schröder wollten die Vorreiter auf dem "Dritten Weg" sein. "Es ist ein Manifest, um die Mitte-Links-Politik, die Sozialdemokratie und Europa zu modernisieren", erklärte Blair, als er sein vor vier Jahren gemeinsam mit Schröder erarbeitetes Thesenpapier vorstellte.

Doch die Aufbruchstimmung von damals ist inzwischen verflogen: Eine linke Regierung nach der anderen wurde in Europa in den vergangenen Jahren abgelöst. In Washington hat George W. Bush das Sagen. Dort gibt es inzwischen - so scheint es - nur noch den "Weg des Präsidenten". Auch Schröder und Blair sind nicht mehr die engsten politischen Freunde. Blair steht Bush inzwischen näher als zuvor Clinton. Auch mit Italiens Premier Silvio Berlusconi wird er öfters gesehen. (arn)