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Mode in Schwarz-Rot-Gold

31. März 2009

"Liebeserklärung an Deutschland" - damit löste Eva Gronbach 2001 eine kontroverse Diskussion aus. Heute arbeitet die Kölner Designerin mit original getragener Bergmannskleidung. Ein Besuch in ihrem Laden.

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sieben Models und Hund in der Schwarz-Rot-Gold Kollektion
Designermode in Schwarz-Rot-GoldBild: Pressestelle Eva Gronbach/Foto:Boris Breuer

Im Belgischen Viertel in Köln lächelt die Hauswand. Zwei übergroße Augen strahlen die Vorbeiziehenden freundlich an. Doch das Gesicht ist nicht komplett. Anstelle der Nase ist der Blick frei in den Laden von Jungdesignerin Eva Gronbach. Und dort steht sie persönlich. Sie ist zurück in der Rhein-Metropole, wo sie einst mit Heike Makatsch ihre Schneiderlehre begann. Doch dann verließ sie Deutschland, studierte in Brüssel und Paris, arbeitete bei den Großen der Modebranche, bei Yohji Yamamoto, John Galliano und für Hermès.

Fassade des Verkaufsladen, Porträt von Gronbach als Poster auf der Hauswand (Foto: Gronbach)
Der Verkaufsladen in KölnBild: Ina Soetebeer

Was zog sie zurück nach Deutschland? Die quirlige Designerin mit dem roten Lippenstift fängt an zu plaudern: "Es war eine bewegte Zeit. Während es bei Yamamoto immer mucksmäuschen still war, verkörperte Galliano den britischen Humor. Bei der Arbeit wurde unheimlich viel gescherzt." Von Yamamoto und Galliano lernte sie aber vor allem eins: Auf eigenen Beinen zu stehen und sich Fragen nach der eigenen Identität zu stellen. Sie sehnte sich nach Lebkuchen und deutscher Literatur und ging zurück nach Deutschland.

Tabubruch mit Schwarz-Rot-Gold

Mit ihrer Examensarbeit "Liebeserklärung an Deutschland" löste sie 2001 eine lebhafte Diskussion aus. Erst designte sie nur Accessoires in den bundesdeutschen Farben, zwei Jahre später dominierten in ihrer Kollektion "Mutter Erde - Vater Land" die Farben Schwarz-Rot-Gold.

Die Deutschen gingen mit ihr sehr vorsichtig um, beobachteten ihre Arbeit sehr genau, erinnert sich die Kölnerin heute. Schwarz-Rot-Gold in der Mode ist ein heikles Thema. Es war ein Tabubruch, mit dem ihr der Durchbruch gelang. Vor ihr hatte keiner in der Mode die bundesdeutschen Farben und das Wappentier so konsequent positiv besetzt.

Der leicht modifizierte Bundesadler ist bis heute ihr Logo geblieben. Die Fußballweltmeisterschaft 2006 gab der Kölnerin Rückenwind. Die Angst vor Schwarz-Rot-Gold schien passé, ein neues, unverkrampftes Nationalgefühl war geboren.

Kumpelkultur in der Mode

Wenn man sich heute in ihrem Laden umschaut, ist der dominierende Farbton allerdings nicht Schwarz-Rot-Gold, sondern Beige. Vorne links hängt die Damenkollektion von German Jeans - hinten im zweiten Raum hängt die Männer-Ausgabe der gleichnamigen Kollektion. Der Stoff dazu kommt aus dem Ruhrgebiet. Es handelt sich um original getragene Bergmannskleidung, die in den Zechen für sie gesammelt wird. Nach unzähligem Waschen und Kochen fühlt sie sich der beige Jeansstoff überraschend weich an. Schon seit 2005 lässt Gronbach das Material nicht mehr los.

Models in German Jeans Kollektion posieren vor einem Bergwerk (Foto: Gronbach)
Original getragene Bergmannskleidung in HighfashionBild: Pressestelle Eva Gronbach

Dass das Material ganz ehrlich unter Tage getragen wurde - Risse und Flecken dokumentieren dies - reizt besonders Menschen aus hygienisch einwandfreien Berufen. "Chirurgen, Tontechniker und viele Japaner tragen in ihrer Freizeit gerne German Jeans", so die Kundenbilanz der Designerin.

Zu einer Altersbegrenzung lässt sich Gronbach nicht hinreißen. Junge Teenies im BritPop-Stil und Professoren im Vorruhestand kaufen genauso gerne bei ihr ein wie Heidi Klum. Dann schweift sie ab, schwelgt in Erinnerungen und berichtet von einem Erlebnis in der Pariser U-Bahn. Passanten konnten den Stoff mit bloßem Auge nicht greifen, und fassten sie an.

Aber nicht nur das Material fasziniert Gronbach, sondern auch die dahinter stehende Kultur. Es geht um Solidarität, gelebte Kumpelkultur unter Tage und um ehrliche Arbeit - so wie auch bei ihr. Die 37-Jährige produziert ausschließlich in Nordrhein-Westfalen. Und anders als die Glamour-Modewelt wirkt die Jungdesignerin geerdet. "Schon immer wollte ich eine Brücke sein." Dann kommt Gronbach auf ihren gerade erledigten Auftrag mit Thalys zu sprechen - ihre Augen leuchten, Erinnerungen werden wach. In den Thalys-Züge fuhr sie zu Studienzeiten von Brüssel nach Hause. Heute trägt das Zugpersonal ihre Schnitte, die Designerin zeigt sich gerührt.

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Portrait von Eva Gronbach (Foto: Gronbach)
Die Designerin Eva GronbachBild: Pressestelle Eva Gronbach

Gronbach fühlt sich wohl in der Rhein-Metropole. Doch Köln heißt nicht Endstation. Aus dem Laufrad der schnelllebigen Modewelt ist sie zwar ausgestiegen. Gerne möchte sie dennoch eigene Läden in Tokio, New York und Berlin aufmachen. Denn im Ausland funktioniere ihre Mode auch gut, speziell in Japan, den USA, Belgien und Frankreich.

Die Besetzung lokaler Themen stellt die Modeschöpferin nicht nur bei sich fest, es sei ein auszumachender Trend unter Jungdesignern in Deutschland, sagt sie. Die Inspirationen für ihre größeren Kollektionen zieht sie aus Tabus, die sie spürt. "Tabubrüche besitzen eine unheimliche Energie, die mutiert, wenn man sie lässt, aber beflügelt, wenn man darüber demokratisch diskutiert."

Zurzeit zieht sie durch Nordrhein-Westfalens Schulen und lässt die Schüler eine Woche lang ihre eigene Mode designen. Das Projekt wird vom Land gefördert, denn auch die Lehre ist der jungen Deutschen wichtig.

Die Belgier kommen

Derweil kümmert sie sich darum, dass im Belgische Viertel mehr belgische Designer vertreten sind. Auch in ihrem Laden hospitieren sie. Die Frau mit den blonden, kurzen Haaren lebt ihre Visionen. Nur kein Stillstand heißt ihre Devise. Sie ist zu ihren Wurzeln zurückgekehrt, setzt die lokale Verankerung in Mode um und hat dennoch die große weite Welt fest im Blick.

Autorin: Ina Soetebeer

Redaktion: Kay-Alexander Scholz