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Ein Slum wird zum Modell

Peter Hille, Düsseldorf9. Februar 2016

Feste Häuser statt Wellblechhütten. In einem Armenviertel Dakars in Westafrika soll das bald Realität sein. Mit dabei: ein Milliardär, eine Society-Dame und eine Gruppe Architekturstudenten. Von Peter Hille, Düsseldorf.

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Häusermodelle (Foto: DW/P.Hille)
Bild: DW/P.Hille

Samih Sawiris beugt sich über das Pappmodell eines Mehrfamilienhauses. "Dieser Entwurf gefällt mir, der hat wenig Treppen", sagt der ägyptische Bauunternehmer, Investor und Milliardär. "Treppen kosten ein Vermögen!" Sawiris muss es wissen, mit seiner Firma Orascom hat er schon ganze Kleinstädte aus dem Boden gestampft.

Bauunternehmer Samih Sawiris und Charity-Lady Ute-Henriette Ohoven werfen einen Blick auf das Modell (Foto: DW/P. Hille)
Blick aufs Modell: Samih Sawiris (rechts im Bild) und Ute-Henriette Ohoven (ganz links)Bild: DW/P.Hille

In Baraka, einem Armenviertel der senegalesischen Hauptstadt Dakar, will er neue Häuser für 1200 Menschen bauen. Kein Projekt wie jedes andere, sagt Sawiris. Er möchte in Dakar einen Kompromiss finden zwischen Kommerz und der Hilfe für Arme. Deshalb arbeitet Sawiris mit Ute-Henriette Ohoven zusammen, der UNESCO-Sonderbotschafterin in Deutschland. Sie ist mit glamourösen Spendengalas bekannt geworden und hat so viel Geld für soziale Projekte sammeln können.

Mit "Mikromiete" zum Eigentum

"Ich kenne diese Menschen in Baraka seit mehr als 20 Jahren", sagt Ohoven. Immer wieder hätten die Bewohner, zum Großteil Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Staaten, Zwangsumsiedlungen fürchten müssen. "Und jetzt haben wir den Präsidenten Macky Sall gebeten, dass er diese Menschen dort bleiben lässt. Und er hat uns dieses Grundstück zugesagt und wir bauen einen Stadtteil für diese Flüchtlinge."

Wellblechhütten in Baraka (Foto: YOU Stiftung)
Leben unter Wellblech: Baraka heuteBild: YOU Stiftung

Dafür haben sich Ohoven und Sawiris ein besonderes Finanzierungsmodell überlegt: Etwa ein Viertel der neuen Wohnungen soll zu Marktpreisen verkauft werden, was angesichts der zentralen Lage Barakas gute Gewinne abwerfen dürfte. Von diesen wiederum sollen die neuen Wohnungen der jetzigen Bewohner mit finanziert werden, die nur eine so genannte "Mikromiete" zahlen und damit nach und nach zu Eigentümern werden sollen. Und zwar, so Ohoven, "nicht in Blechhütten oder Holzhüten, abgedeckt mit Plastik, und dazwischen eine Ziege und Hühner und die Kinder. Sie sollen ordentliche Bürger Senegals werden". In drei Jahren, so hofft Ohoven, könnte das Realität sein, flankiert von Bildungsprojekten für die Bewohner Barakas.

Das Paradox von Baraka

Ordentliche Bürger in ordentlichen Häusern - den senegalesischen Bauminister Diéne Farba Sarr konnten Ohoven und Sawiris mit ihrer Idee bereits für sich gewinnen. Gemeinsam mit einer Delegation ist er nach Düsseldorf gereist, um sich Entwürfe für den neuen Stadtteil anzusehen.

Senegalesischer Bauminister Diéne Farba Sarr (Foto: DW/P. Hille)
Sieht Baraka als Testfall für andere Armenviertel: Bauminister Diéne Farba SarrBild: DW/P.Hille

"Das ist ein wichtiges Projekt für die senegalesische Regierung, weil es ein Test dafür ist, wie man Armenviertel umstrukturieren kann." Ein Ansatz bislang war die Zwangsumsiedlung. "Also, Zwangsumsiedlung würde ich das nicht nennen", korrigiert Minister Sarr. "Das waren Maßnahmen. Und wir haben uns bemüht, den Einwohnern alternative Wohnmöglichkeiten zu eröffnen." Baraka sei ein kompliziertes Viertel. "Die Menschen, die dort heute leben, haben nicht das Recht, dort zu wohnen. Dieses Paradox wollen wir auflösen. Und ich bin sehr optimistisch, dass wir uns einer endgültigen Lösung nähern."

Per Wettbewerb zum Neubau

Besonders angetan war Sarr von einem Bau-Entwurf, der für jede Wohnung eine Vielzahl kleinerer Räume vorsieht. So können Jungen und Mädchen getrennt untergebracht werden. Alle Entwürfe stammen von Architekturstudenten aus Deutschland und werden derzeit im Stadtmuseum Düsseldorf ausgestellt. In einem Wettbewerb, den Ohovens You-Stiftung gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) ausgeschrieben hat, kürt eine Jury den Siegerentwurf, der am Ende gebaut werden soll.

Alles etwas kompliziert? Noch einmal langsam: Eine Charity-Lady verhilft Slumbewohnern zu neuen Häusern. Die baut ein Milliardär, der damit möglichst kein Geld verlieren möchte. Und entworfen haben den neuen Stadtteil Architekturstudenten aus Düsseldorf.

Sparsamkeit gewinnt

"Die Studenten haben sich hervorragend hineingedacht in die unterschiedlichen Kulturen und Gepflogenheiten der Bewohner dieses Slums", lobt Bruno Braun, Architekt und Vorsitzender des BDA Düsseldorf die Entwürfe. Braun gehört zur Fachjury, die den Gewinner kürt. Einige Studenten hätten etwa in den Beton- und Ziegelfassaden einheimische Dekors eingearbeitet. "Sie haben ganz genau hingehört, was die Bevölkerung haben will. Sie wollen nicht noch einmal ein Provisorium. Sie wollen genauso eine Wohnung haben wie die Menschen in der Nachbarschaft in anderen Vierteln rechts und links von ihnen."

Architekt Bruno Braun vor dem Siegerentwurf (Foto: DW/P. Hille)
Pilotprojekt aus Beton: Architekt Braun vor dem städtebaulichen SiegerentwurfBild: DW/P.Hille

Braun und seine Kollegen prämieren am Ende den Entwurf einer Gruppe um Student Tim Baran als "bestes städtebauliches Gesamtkonzept" für Baraka. Was den Entwurf auszeichne: dass er sich auf das Nötigste beschränke und damit wenig Kosten verursache, so Baran. "Unser Entwurf soll ein Pilotprojekt sein, das sich nicht nur in Baraka umsetzen lässt, sondern weltweit an jedem anderen Punkt auch." Neben Baran und seinen Kommilitonen kürt die Jury zudem drei weitere Sieger, die Wohneinheiten für Baraka entworfen haben.

Das neue Stadtviertel werde mit Häusern unterschiedlicher Baustile attraktiver aussehen als mit einer einheitlichen Bebauung, so meint die Mehrheit der Jury. Für Bauunternehmer Sawiris dürfte das ebenfalls Sinn machen. In einem attraktiveren Viertel sollten die Wohnungen, die am Ende ganz normal verkauft werden, einen besseren Preis erzielen. Und so könnte genug Geld zusammenkommen, um aus Baraka ein Vorzeigeviertel zu machen.