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Moderne Kunst als<br>Bewerbung für Europa

15. Dezember 2004

Die Türkei will künstlerisch nicht länger ein weißer Fleck auf Europas Karte sein. Deshalb hat ein Unternehmer das erste türkische Museum für zeitgenössische Kunst geschaffen: das "Istanbul Modern".

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"Istanbul Modern" - das erste türkische Museum für junge Werke

Jahrelang hat der Unternehmer Bülent Eczacibasi versucht, ein Museum für Gegenwartskunst zu gründen – auf der Basis seiner privaten Kunstsammlung mit 1200 Werken, die schon sein Vater begonnen hatte.

Erst scheiterte er an der Kontrollsucht der früheren Regierung. Doch nun hat er es geschafft. Direkt am Bosporus hat jetzt das "Istanbul Modern" eröffnet, in einer renovierten früheren Lagerhalle vom Ende des 19. Jahrhunderts. Das Haus steht zwischen den Zeiten – mit Blick auf die Hagia Sofia (6. Jahrhundert) einerseits und auf die modernen Istanbuler Hochhäuser andererseits.

Konkurrenz für Paris und New York

Istanbul Modern
Das Gebäude des Istanbul Modern - ein ehemaliges LagerhausBild: Istanbul Biennal 2003

Das Istanbul Modern soll sich mit dem Pariser Centre Pompidou oder dem Museum of Modern Art in New York durchaus messen können - behauptet zumindest der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder. Und vor allem soll es zeigen: Die Türkei orientiert sich Richtung Europa. Ein solcher Kunst-Ort, dem der Staat nur das Gebäude gegeben hat, ist in dem Land ein absolutes Novum. Außer der Familie Eczacibasi hat auch eine türkische Privatbank das Projekt unterstützt.

Besucher durchqueren am Eingang zuerst einen Skulpturengarten. Innen versammelt das neue Museum auf 8000 Quadratmetern die Haupttrends der modernen türkischen Kunst des 20. Jahrhunderts – hauptsächlich zu sehen im ersten Stock, in einer Dauerausstellung. Allerdings nicht chronologisch geordnet, sondern nach Themenkomplexen.

Türkische Kunst, spanische Kuratorin, Deutsche Bank

Im Erdgeschoss sollen die Ausstellungen wechseln; pro Jahr sind drei bis vier geplant. Als erstes zeigt das Museum, wie es entstanden ist: "The Making of Istanbul Modern". 2005 stehen Restrospektiven der türkischen Künstler Fikret Mualla und Abidin Dino an (quasi den Vätern der modernen türkischen Kunst); dazu noch eine Ausstellung mit Werken aus der Sammlung der Deutschen Bank.

Der Fotografie ist im Istanbul Modern eine eigene Galerie gewidmet – ebenso den neuen Medien, sprich Video- und Digitalkunst. Um das Gesamtkonzept kümmert sich die spanische Chefkuratorin des Museums, Rosa Martinez. Sie kennt Istanbul schon: 1997 war sie dort Kuratorin der Biennale.

Don Quichotte in Anatolien

Blüte
'Blüte' von Abidin Dino, 1990Bild: Tomas Riehle/artur

Das Istanbul Modern soll nicht nur ein Museum sein, durch das Kunstliebhaber hindurchschlendern. Studenten sollen sich bei Workshops ausprobieren und Vorlesungen hören können. Im Erdgeschoss ist auch noch eine Kunstbibliothek, für jedermann zugänglich. Und weil zur modernen Kunst auch der Film gehört, präsentiert das Museum in einem eigenen Kino Independent-Produktionen und andere einfallsreiche Werke mit laufenden Bildern.

Ihren Weg nach Europa sehen die türkischen Künstler allerdings nicht allzu verbissen. Das beweist "The Road to Tate Modern" von Erkan Özgen und Sener Özmen: ein Video, in dem zwei Männer durch Südanatolien reiten, mit Pferd und Esel, ein bisschen erinnernd an Don Quichotte und Sancho Panza. Die beiden bürokratisch gekleideten Reisenden suchen eigentlich den Tempel der europäischen Kunst, die Londoner Tate Modern.

Erster Plan: Aufmerksamkeit schaffen

MoMA - The Museum of Modern Art in New York
Das Museum of Modern Art in New York und das Istanbul Modern sollen in einer Liga spielenBild: dpa

Weil die Suche so schwierig ist, sollen die Europäer lieber selber kommen. Zur Eröffnung haben der deutsche Bundeskanzler Schröder, der britische Premier Tony Blair sowie Frankreichs Präsident Jacques Chirac immerhin schon Grußbotschaften geschickt.

Das Istanbul Modern rechnet mit einer Million Besuchern pro Jahr – dafür ist eine aggressive Werbekampagne in Arbeit, damit das Museum auf der Beliebtheitsliste weiter nach oben rückt, vorbei an den rein historischen Stätten. Und wer vor dem 1. Januar 2005 kommt, zahlt keinen Eintritt. (reh)