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Modernes Internet trifft alten deutschen Zoll

27. März 2011

Weltweit bestellen Menschen Waren im Web und lassen sie sich per Post nach Hause liefern. In Deutschland allerdings muss man seine Bestellung beim Zollamt abholen, wenn die Ware außerhalb der EU abgeschickt wurde.

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Hände halten ein in braunes Papier eingepacktes Paket (Foto: Fotolia)
Wie kommt das Paket zum Empfänger?Bild: Fotolia/Marc Dietrich

An die 30 Männer und Frauen sitzen im schlichten Warteraum des Zollamtes Berlin-Schöneberg. Das Amt ist für die ganze Hauptstadt zuständig, 70.000 Sendungen werden hier pro Jahr von 30 Zöllnern bearbeitet. Dementsprechend lang sind die Wartezeiten. Gisela Garstang ist seit mehr als einer Stunde hier. Ihr Mann hat über die Online-Auktionsplattform ebay einen elektronischen Entfernungsmesser für Landkarten in Amerika bestellt. Das Gerät gibt es auch in Deutschland, doch das Angebot bei ebay war drei Dollar billiger und angeblich ein Schnäppchen. Angeblich. Denn jetzt muss Garstang noch Einfuhrumsatzsteuer bezahlen, weil das Ding mehr als 22 Euro gekostet hat und nicht aus der EU stammt. Ab 150 Euro wird manchmal sogar noch Zoll fällig. Schon einmal hat ihr Mann per ebay in Australien bestellt, erzählt Garstang und lacht. "Als ich realisiert habe, dass ich jetzt zum Zollamt muss, hab ich deshalb gedacht, nicht schon wieder!"

Deutsche Bürokratie?

Regale voller Pakete aus dem EU-Ausland, die im Zollamt Berlin auf ihre Abholung warten (Foto: Pelzel)
Regale voller Pakete aus dem EU-Ausland, die im Zollamt Berlin auf ihre Abholung wartenBild: Svenja Pelzel

Nach einer Stunde und acht Minuten Wartezeit wird Garstangs Nummer endlich aufgerufen. An Platz fünf im Abholraum nebenan wartet hinter einem niedrigen Tresen ein freundlicher Zöllner. Der Mann trägt statt Uniform Jeans und Pulli, hält ein kleines Päckchen in der Hand. Garstang muss die Lieferung öffnen, die Ware auspacken, dem Zöllner zeigen, damit dieser bestätigen kann, dass auch tatsächlich das Bestellte drin ist. Anschließend geht es erneut in den Warteraum und eine viertel Stunde später zur Kasse. Garstang nimmt es mit Humor. "Was anderes bleibt mir ja nicht übrig", sagt sie, lacht und lästert ein bisschen mit dem Sitznachbarn über Wartezeiten und deutsche Bürokratie.

Selim Sehm, ein junger Mann mit halblangen Haaren, cooler Schirmmütze und Lederjacke, sitzt zwei Reihen hinter Gisela Garstang im Warteraum und findet das ganze weniger lustig. Er hat ebenfalls über ebay in Amerika bestellt. Das Paar gebrauchte Schuhe aus Pferdeleder für knapp 50 Dollar ist ein Geschenk für seinen Vater. Sehms Nummer wird aufgerufen, an der Zollamt-Kasse muss er nun 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer auf den Warenwert sowie auf Porto und Versandkosten bezahlen. "Wie im Mittelalter ist das", schimpft Sehm, während er 13,38 Euro aus seiner Geldbörse holt. "Wenn man zehn Schweine hat, muss man zwei abgeben."

Frank Reinicke, der gerade bei seinen Mitarbeitern im Abholraum steht, beobachtet wie Sehm mit den Schuhen und schlechter Laune das Gebäude verlässt. Reinicke ist 51, ein rundlicher Typ, Leiter des Zollamts und erlebt solche Szenen mehrmals am Tag. So richtig verstehen, kann er die Wut der Leute allerdings nicht, denn "Unwissenheit schützt in unserem Staat nicht unbedingt vor den Folgen des Gesetzes", meint er.

Was ist verboten, was erlaubt?

Manchmal gibt Reinicke den wütenden Abholern einfach den Tipp, bei der nächsten Online-Bestellung vorher auf der Internetseite www.zoll.de nachzusehen. Dort steht zum Beispiel, dass manche Nahrungsergänzungsmittel und alle privaten Medikamentenbestellungen - egal, ob aus EU- oder anderen Staaten - verboten sind. Oder welche Tiere und Pflanzen als geschützt gelten und deshalb nicht eingeführt werden dürfen. Regelmäßig entdecken die Zöllner beim Öffnen der Pakete verbotene Waren, die sie beschlagnahmen müssen. 2010 waren das bundesweit 93.000 geschützte Tiere und Pflanzen, 27 Tonnen Rauschgift, sowie unzählige gefälschte Produkte, die zu 80 Prozent aus China stammen.

Geschenk oder nicht Geschenk?

Bunte Geschenke mit Händen und Beinen marschieren in einer Reihe(Foto: Fotolia)
Auf dem Weg zum BeschenktenBild: Fotolia/julien tromeur

Manchmal, so erzählt Reinicke, gebe es auch Probleme mit dem Begriff "Geschenk". Denn dafür gelten andere Bestimmungen. Alles, was Freunde und Verwandte aus dem Ausland nach Deutschland schicken, ist bis zum Wert von 45 Euro steuerfrei. Danach sind pauschal 17,5 Prozent Gebühren fällig. "Einige Leute bestellen darum etwas bei ebay und sagen uns dann, es sei ein Geschenk für die Freundin", sagt Reinicke schmunzelnd. "Das gilt natürlich nicht." Auch versuchen immer wieder professionelle Händler Einfuhrumsatzsteuer und Zoll zu umgehen, indem sie "gift", Englich für Geschenk, auf die Verpackung schreiben. Doch häufig verraten sie sich durch professionelle Adressaufkleber, fehlendes Geschenkpapier und fehlende Grußkarte.

Für welches Teil wie viel Zoll fällig ist, wissen auch Reinicke und seine Leute nicht immer auf Anhieb. Die Zoll-Liste ist dick wie ein Telefonbuch und zum Glück mittlerweile als Datenbank vorhanden. Grob gilt allerdings, dass Textilien einem sehr hohen Zollsatz um die 12 Prozent unterliegen, bei Ersatzteilen für Fahrzeuge zwischen sechs und zehn Prozent hinzukommen und Handys tariflich zollfrei sind.

Autorin: Svenja Pelzel
Redaktion: Klaudia Prevezanos