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Montenegro: Parlamentswahl im jüngsten Staat der Welt

Filip Slavkovic 10. September 2006

Das Land ist eines der kleinsten in Europa - und der jüngste Staat der Welt: Im Mai entschied sich Montenegro für die Loslösung aus dem Staatenbund mit Serbien. Am Sonntag (10.9.) findet die erste Parlamentswahl statt.

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Die Mehrheit der Montenegriner stimmte für die Unabhängigkeit - jetzt wählen sie ihr eigenes ParlamentBild: AP

Nach dem knapp ausgegangenem Referendum über die Unabhängigkeit des Landes haben es die Politiker schwer, die Wähler wieder zu mobilisieren. Die Gegner des Ministerpräsidenten Milo Djukanovic sind Gegner eines unabhängigen Montenegro. Den entscheidenden Kampf um den Erhalt des Staatenbundes haben sie vor drei Monaten verloren. Nun sind sie zerstritten.

Predrag Bulatovic, Chef der oppositionellen Sozialisten, ist sich seiner geringen Chancen wohl bewusst, wenn er bei der Abschlusskonvention der Mitte-Links-Koalition bittet: "Gehen Sie wählen! Wählen Sie irgendeine Oppositionsliste, nur nicht DPS und SDP!" Dabei ist Bulatovic Anführer der stärksten Oppositionsgruppe. Nur wird diese wohl aller Voraussicht nach unter 20 Prozent bleiben. DPS und SDP, die Parteien der regierenden sozialdemokratischen Koalition, könnten dagegen die absolute Mehrheit schaffen. Als Unterstützung haben sie sich diesmal eine Partei der kroatischen Minderheit ausgewählt. Bisher kamen die Partner aus den Reihen der montenegrinischen Albaner.

Serben wollen Unabhängigkeitsfrage neu stellen

Die Minderheiten sind die eigentliche Mehrheit, weil in Montenegro nur 43 Prozent ethnische Montenegriner leben. Parteien der größten ethnischen Minderheit, der Serben, haben nach der Trennung des Landes von Serbien einen eigenen nationalistischen Block gebildet.

Die "Serbische Liste" möchte die Unabhängigkeitsfrage wieder stellen und vorher eine mindestens kulturelle Autonomie für die Volksgruppe erreichen. Der Anführer der Liste, Andrija Mandic, versucht - mit mäßigem Erfolg - auch Nichtserben zu erreichen, wenn er das organisierte Verbrechen und die Korruption anspricht: "Wir versprechen, dass die Kriminellen in Montenegro hinter Gitter landen werden. Ihr Vermögen werden wir konfiszieren, um damit die staatlichen Fonds zu stärken." Tatsächlich werden viele Regierungsmitglieder in Podgorica in Verbindung mit Korruption, Schmuggel oder Amtsmissbrauch gebracht. Nur: bewiesen ist bisher wenig bis gar nichts.

Schwierige Vergangenheitsbewältigung

Gegen die Verflechtung von Politik und Wirtschaftskriminalität kämpft auch die nur drei Monate alte "Bewegung für Wandel". Die frühere nicht-politische Organisation des jungen Wirtschaftexperten Nebojsa Medojevic könnte laut Umfragen dritte Kraft im Parlament werden. Medojevic prangert bis heute die kriegstreiberische Politik der meisten etablierten Politiker zur Zeit des Zusammenbruchs Jugoslawiens an: "Falsche Entscheidungen der Wähler vor 16 Jahren brachten Menschen an die Macht, die meiner Generation nach der Hochschule nicht Computer und Arbeitsanweisungen in die Hände drückten - sondern Kriegsdiensteinberufungen und Gewehre."

Diese Töne missfallen vor allem dem Ministerpräsidenten Djukanovic, hat er doch bis Ende der 1990er-Jahre als montenegrinischer Präsident dem autoritären serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic den Rücken gestärkt. Der Premier ist auch ob des Hinweises der Meinungsforscher besorgt, die "Bewegung für Wandel" könnte der Regierung die Wähler noch abwerben. Djukanovic greift deshalb seine Gegner scharf an: "Wenn unsere politischen Wettbewerber vom Wandel sprechen, meinen Sie nur den Machtwechsel. Wir dagegen arbeiten seit Jahren fleißig daran, das Land zu verändern."

Versöhnungsprozess auf wackeligen Füßen

Dafür, dass der gerade begonnene Versöhnungsprozess in der wegen der Volksabstimmung tief gespaltenen Gesellschaft nicht kaputt geredet wird, ist Svetozar Marovic zuständig. Wenn der letzte Präsident des Staatenbundes Serbien-Montenegro und eigentliche Strippenzieher in der regierenden Koalition von politischen Gegnern spricht, dann findet er meist milde Töne - wie bei einer Rede im Zentrum der Hauptstadt Podgorica: "Wir werden denen die Hand reichen, um die Teilung, Anschuldigungen und Verleumdungen zu überwinden. Wir werden ihnen die Hand reichen, um ein stabiles und europäisches Montenegro zu bauen."

Mitgliedschaften in der EU und NATO sind die nächsten Ziele der regierenden Koalition. Ein Großteil der knapp 485.000 Wähler wird ihr am Sonntag die Stimmen geben, prognostizieren die Meinungsforschungsinstitute. Regierungschef Milo Djukanovic kann sich auf die Zustimmung seiner Parteifreunde ohnehin verlassen.