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Montis langsamer Abschied vom Ruf des Super-Mario

Martin Schrader8. Dezember 2003

Was ist geworden aus Super-Mario? Der Brüsseler EU-Kommissar genoss einst einen hervorragenden Ruf als Hüter eines fairen Wettbewerbs in der Europäischen Union. Doch das Glück scheint ihn verlassen zu haben. Warum bloß?

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Mario Montis Stern in der EU-Kommission hat an Leuchtkraft verlorenBild: AP

Mario Monti ist einer der mächtigsten Wirtschaftspolitiker Europas. Als EU-Wettbewerbskommissar hat der 60-jährige Italiener schon vielen Wirtschaftsbossen die Freude an ihrem Monopoly-Spiel verdorben. Er verhinderte Fusionen, verhängte Bußgelder und erklärte staatliche Beihilfen an Unternehmen für rechtswidrig.

Der Wirtschaftsprofessor Monti trat 1999 den Posten in der EU-Wettbewerbskommission an. Anlass für die Neubesetzung war damals der geschlossene Rücktritt der Santer-Kommission. Sie war über Klüngelwirtschaft und fehlende Kontrolle der Verwaltung gestürzt. Der an einem Jesuiten-Gymnasium erzogene Monti ergriff entschlossen seine Chance und erwarb sich schnell den Ruf eines strengen Kartellwächters und Freundes der europäischen Verbraucher. Das Amt des Kommissars für Wettbewerb entwickelte sich unter ihm zu einer Schlüsselposition der Kommission.

Rekordbußgeld

Aufsehen erregte unter anderem Montis Rekordbußgeld gegen acht Chemiekonzerne wegen illegaler Preisabsprachen im Vitamingeschäft; sie mussten 855 Millionen Euro zahlen. Gegen fünf deutsche Banken verhängte Monti Strafen wegen illegaler Absprachen über Gebühren für den Währungsumtausch. Außerdem verhinderte er die grenzüberschreitende Buchpreisbindung, ließ sogar mehrere Büros deutscher Verlage und Händler polizeilich durchsuchen. Schnell fand sich ein Spitzname dieses modernen Robin Hood der Wirtschaft: Super-Mario.

Heute ist dieser heldenhafte Ruf passé. Was ist passiert mit dem Super-Mario von einst? Kritiker werfen ihm vor, sein Netz gegen vermeintliche Kartell- und andere Wettbewerbs-Sünder in der EU mit allzu heißer Nadel gestrickt zu haben. Jüngstes Beispiel: Die Niederlage Montis vor dem Europäischen Gericht im Bußgeld-Verfahren gegen den Volkswagen-Konzern. Die Brüsseler Behörde hatte dem Auto-Hersteller vorgeworfen, Absprachen mit Händlern getroffen und so die Preise in Deutschland jahrelang künstlich hoch gehalten zu haben. Monti hatte deshalb ein Strafgeld in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro verhängt, das das Europäische Gericht jedoch wieder kassierte. Die Kommission habe versäumt, überhaupt eine Absprache zwischen Hersteller und Händlern nachzuweisen, so die Richter.

Vier Ohrfeigen

Es war nicht die erste Ohrfeige, die Montis Behörde von dem Gericht verpasst bekam. Die Pechsträhne begann bereits 2002. Am 7. Juni erklärte der Europäische Gerichtshof erstmals ein Fusionsverbot des Wettbewerbskommissars für nichtig, das dieser im Fall der feindlichen Übernahme des britischen Reiseveranstalters First Choice Holiday durch Airtours erlassen hatte. Das Gericht begründete die Entscheidung bereits damals mit dem unzureichenden Nachweis der angeblichen Wettbewerbseinschränkung. Auch habe die Kommission den Verbrauchern keine Nachfragemacht eingeräumt.

Im Oktober 2002 kam es noch schlimmer für Monti. Zwei weitere Fusionsverbote wurden von dem Gericht für nichtig erklärt. Weder das Verbot des Zusammenschlusses der französischen Elektro-Konzerne Schneider und Legrand erwies sich als gerichtsfest, noch dasjenige der Übernahme des französischen PET-Flaschenproduzenten Sidel durch den schwedischen Verpackungsmulti Tetra Laval.

"Schlechtes Handwerk"

Die Urteilsbegründungen enthielten ziemlich deutlich den Vorwurf der Schlamperei; von "verschiedenen Analysemängeln, Begründungsfehlern und mangelnden Beweisen" war dort die Rede. Mit jedem dieser Rückschläge verblasste der Stern Montis über der europäischen Presselandschaft ein wenig mehr. "Super-Mario auf Abwegen" hieß es in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", "Schlechtes Handwerk" titelte das "Handelsblatt" und die "Financial Times" kritisierte das Vorgehen der Monti-Behörde mit den Worten: "Etwas ist faul in unserem System".

Grund für die offenbar mangelhafte Sorgfalt beim Vorgehen der Kommission ist nach Ansicht mancher Kartellrechtler die Zunahme der Fälle, die Montis Behörde untersucht. Prüfte die Kommission 1990 jährlich zwölf Fusionen, war sie 2000 mit etwa 350 Fusionsmeldungen konfrontiert. Wenn 2004 zehn neue Länder der EU beitreten, dürfte die Zahl der Übernahmen und Fusionen sowie möglicher Wettbewerbsverstöße noch steigen. Die Kommission hat sich unter anderem darauf eingestellt, indem sie sich wieder bereit zeigt, mehr Fälle als bisher an die nationalen Kartellbehörden abzutreten.

Kasse machen

Es steht dem Wettbewerbskommissar jedoch zum Beispiel frei, Bußgeld-Verfahren weiterhin selbst einzuleiten und zum Abschluss zu bringen. Nach Meinung eines Brüsseler Kartellrechtlers ist der Grund dafür klar: Auf diesem Weg kann die Kommission die möglichen Bußgelder auf Kommissions-Konten fließen lassen.