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Morales weiter kämpferisch

11. Mai 2006

Evo Morales hat die EU beim EU-Lateinamerikagipfel in Wien brüskiert. Der bolivianische Präsident lehnte eine Entschädigung ausländischer Firmen nach der Verstaatlichung der Öl- und Gasindustrie ab.

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Wankt nicht: Evo MoralesBild: AP

Morales schlug am Donnerstag (11.5.2006) im Zusammenhang mit der Verstaatlichung des Energiesektors in seinem Land erneut kämpferische Töne an. Wenn Firmen ihre Investitionen in Bolivien wieder finanziell hereinbekämen, bestehe kein Anlass für Entschädigungen. "Wenn wir technische Anlagen und Ausrüstung enteignet hätten, würde es um Entschädigungen gehen, aber in diesem Fall haben wir niemanden enteignet", sagte Morales in Wien.

"Partner, keine Herren"

Morales erinnerte dabei an seine Versprechen vor der Wahl, bei denen er zum Ausdruck gebracht habe, dass Bolivien "Partner und keine Herren" brauche. "Jedes Land hat das Recht, seine Rohstoffe zu verteidigen oder zu verstaatlichen", sagte Morales. Er sehe keinen Grund, warum er diesen Schritt mit Investoren oder den Nachbarstaaten zuvor hätte absprechen sollen. Mit der Verstaatlichung der Rohstoffe wolle er die Armut bekämpfen, sagte Morales.

Gas und Öl der Anfang

Gas und Öl seien aber erst der Anfang, sagte Morales. Letztlich gehe es ihm um alle Rohstoffe, auch Branchen wie Bergbau sowie Forst- und Landwirtschaft sollten verstaatlicht werden. Bolivien werde die Industrialisierung selbst in die Hand nehmen. "Unsere Bodenschätze sind mehr als 500 Jahre lang geplündert und unsere Rohstoffe exportiert worden, das muss jetzt aufhören", erklärte er.

Bolivien ist das ärmste Land in Südamerika, hat aber nach Venezuela die zweitgrößten Gasreserven in der Region.

Morales hatte am 1. Mai 2006 ein Dekret zur Verstaatlichung der Gas- und Ölförderung im Land unterzeichnet. Die Unternehmen müssen demnach ihre Lizenzen an den Staat abtreten und neue Betriebsverträge aushandeln. Die Verstaatlichung betrifft 26 ausländische Unternehmen, darunter Großkonzerne wie ExxonMobile, British Gas, Total und die spanische Repsol. Die Unternehmen werden gezwungen, das Eigentum an ihren bolivianischen Aktivitäten ebenso an den Staat abzutreten wie eventuelle Rechte auf Ausbeutung von Rohstoffen. Während einer Übergangsperiode erhält Bolivien zudem 82 Prozent der Unternehmensgewinne.

Plassnik fordert Klarstellung

EU Lateinamerika Gipfel in Wien Ursula Plassnik
Ursula Plassnik beim EU-Lateinamerika Gipfel in WienBild: AP

Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik, deren Land derzeit den Vorsitz im EU-Ministerrat führt und Gastgeber beim Gipfel ist, forderte umgehend eine Klarstellung. Es sei wichtig, dass die bolivianische Regierung für Klarheit über ihre Absichten sorge, reagierte Plassnik vor der Presse auf die Aussagen von Morales. Rechtssicherheit sei eine wesentliche Frage für Investoren. Sie stellte dabei klar, dass es aber nicht Sache der EU sei, die politischen Entscheidungen Boliviens zu kommentieren.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sieht keine unmittelbare Gefahr, dass die Politik des populistischen
venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez den politischen Kurs des Kontinents prägen werde. Morales sieht sich an der Seite von Chávez. "Alles stellt sich viel vielfältiger dar", sagte Steinmeier. "Die Europäer stellen fest, dass die allermeisten süd- und mittelamerikanischen Regierungen in ihren Werthaltungen und Sichtweisen doch sehr nahe bei uns sind."

Austritt überdenken

Morales sagte weiter, er habe Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez appelliert, den Austritt des Landes aus der Gemeinschaft der Anden-Staaten (CAN) zu überdenken. Zugleich habe er sich aber auch an die übrigen CAN-Mitglieder Peru, Ecuador und Kolumbien gewandt und sie dringend aufgefordert, ihre Pläne über Freihandelsabkommen mit den USA zu überdenken. Aus Protest gegen solche Vereinbarungen mit den USA will Venezuela aus der CAN ausscheren. Chavez ist Morales' engster Verbündeter. Wegen der Uneinigkeit in der CAN-Gruppe ist es auch unwahrscheinlich, dass bei dem Treffen in Wien der Startschuss für ein lang erwartetes Abkommen zwischen der EU und den Anden-Staaten fällt, bei dem es um Handel, Investitionen und Entwicklungshilfe gehen soll.

Der vierte EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel mit politischen Spitzenvertretern aus 62 Staaten begann am Donnerstag-Abend mit einem feierlichen Essen in der Wiener Hofburg. Am Freitag wollen die 25 EU-Staaten, 33 Länder aus Lateinamerika und der Karibik sowie Bulgarien, Rumänien, die Türkei und Kroatien über Wege beraten, den Handel auszubauen und die Entwicklungspolitik voranzutreiben. Der Gipfel ist das größte diplomatische Ereignis in der österreichischen Hauptstadt seit dem Wiener Kongress 1815, der Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet hatte. (sams/stl)