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Olympic Moments

Alexander Göbel

Vor den Pekinger Spielen wurde immer wieder das Thema Boykott diskutiert. Dabei lohnt ein Blick in die olympischen Geschichtsbücher. Denn was ein Boykott bedeutet, das zeigte sich schon 1980 in Moskau.

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Olympischer Marathonlauf auf dem Roten Platz. Im Hintergrund erkennt man deutlich die altehrwürdige Basilius-Kathedrale mit ihren charakteristischen Zwiebeltürmen.
Olympischer Marathonlauf auf dem Roten Platz.Bild: dpa

Es war der Höhepunkt des Kalten Kriegs. Schon Mitte der 1970er Jahre hatte es Diskussionen gegeben, die Vergabe der Spiele an Moskau an Bedingungen zu knüpfen, wie z. B. die Verbesserung der Menschenrechte. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan forderte US-Präsident Jimmy Carter das IOC auf, die Spiele in eine andere Stadt zu verlegen, zu verschieben oder ganz ausfallen zu lassen. Andernfalls drohte er einen weltweiten Teilnahmeboykott an und verlangte auch gleichzeitig von den amerikanischen Bündnispartnern Solidarität.


Olympia im Strudel der Weltpolitik

Carter machte seine Drohung wahr: Die Außenminister von 36 islamischen Ländern sprachen sich in seltener Einigkeit mit den USA auf einer Konferenz in Islamabad einstimmig für einen Boykott aus, und im Auftrag von Jimmy Carter reiste auch der ehemalige Boxprofi Muhammad Ali in verschiedene afrikanische Länder, um für den Boykott zu werben. In den westlichen Ländern herrschte große Uneinigkeit, ob man sich dem Boykott anschließen sollte oder nicht. Dem United States Olympic Committee wurden finanzielle Konsequenzen angedroht, wenn man Athleten nach Moskau entsenden würde. Bei einer Tagung in Rom einigten sich viele westeuropäische Olympia-Komitees auf eine Teilnahme, aber unter Bedingungen, wie z. B. Verzicht auf Nationalflaggen und Hymnen.


„Politischer und sportlicher Unsinn“?

In der Bundesrepublik kam es zu heftigen Debatten in der Versammlung des Nationalen Olympischen Komitees: Die finale Abstimmung endete mit 59:40 Stimmen für den Boykott. Der damalige NOK-Präsident Willy Daume ließ in der Rückschau kein gutes Haar an der Entscheidung. Sportlich habe es überhaupt nichts gebracht, sagte Daume damals: „Und noch weniger hat es den Athleten gebracht, die hatten Jahre ihres Lebens praktisch vertan, und es hat auch politisch nichts gebracht, im Gegenteil.“ Denn Deutschland habe in Westeuropa mit seinem Boykott am Ende allein dagestanden, so Willi Daume, und man habe sogar mit dem Finger auf die Bundesrepublik gezeigt: „Ja, da sind sie wieder, hieß es damals, die schulmeisterlichen Deutschen, die glauben, sie könnten ihre Auffassung einfach so durchsetzen, nur weil sie näher am Vorhang leben.“ Die Spiele wurden letztlich von 64 Staaten boykottiert. Die Anzahl der teilnehmenden Länder war so niedrig wie seit 1956 nicht mehr. In Folge dessen wurden die Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles von den meisten Staaten des ehemaligen Ostblocks boykottiert. Der Kalte Krieg war noch lange nicht vorbei.

Der deutsche Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer (Vordergrund) aus Mainz verfolgt am 25.07.1980 bei den XXII. Olympischen Sommerspielen von Moskau von der Tribüne des Lenin-Stadions aus den Verlauf des Zehnkampfs. Bedingt durch den Boykott der Bundesrepublik und anderer Staaten wegen des Einmarschs sowjetischer Truppen in Afghanistan konnte Kratschmer an den Wettkämpfen nicht teilnehmen.
Für Sportler aus dem Westen blieb nur ein Platz auf der Tribüne des Moskauer OlympiastadionsBild: Picture-Alliance /dpa