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Politik

Moskau demonstriert Macht, Minsk schweigt

Galina Petrowskaja
13. Dezember 2016

Das russische Verteidigungsministerium will seine Militärtransporte nach Weißrussland im Jahr 2017 drastisch erhöhen. Aus Minsk ist dazu nichts zu hören. Was sind die Gründe dafür und was will Moskau erreichen?

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Weißrussland Militärparade in Minsk
Gemeinsame Militärparade von Russland und Weißrussland in Minsk im Jahr 2014 Bild: DW/E. Danejko

"Wir werden bei den Manövern 'Westen 2017' die zunehmenden NATO-Aktivitäten in Betracht ziehen. Russland ist gezwungen, defensive Gegenmaßnahmen zu ergreifen." Das sagte im November der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu auf einer gemeinsamen Sitzung mit dem weißrussischen Verteidigungsministerium in Minsk.

Das russische Verteidigungsministerium hatte vor kurzem im Internet eine Ausschreibung für Dienstleistungen im Schienenverkehr veröffentlicht. Demnach sollen von 5265 Waggons, die im Jahr 2017 für den Transport russischer militärischer Fracht gebucht werden sollen, allein 4126 nach Weißrussland geschickt werden. Das wäre 83 Mal mehr als im Jahr 2016.

Die bilaterale militärische Zusammenarbeit basiert auf einem Vertrag aus dem Jahr 1999 über die Bildung eines Unionsstaates aus Weißrussland und Russland, der aber bis heute nur sehr begrenzt verwirklicht wurde. Alle zwei Jahre finden die Manöver "Westen" abwechselnd auf dem Gebiet der beiden Nachbarländer statt. Die nächsten gemeinsamen Manöver "Westen 2017" sollen im September in Weißrussland durchgeführt werden.

Reale Militärtransporte noch größer?

Arsenij Siwizkij, Leiter des "Center for Strategic and Foreign Policy Studies" (CSFPS) in Minsk, sagte im Gespräch mit der DW, an den letzten gemeinsamen Manövern in Weißrussland "Westen 2013" hätten 13.000 Mann teilgenommen, davon 3000 Angehörige der russischen Streitkräfte. "Damals benötigte die russische Seite für den Transport der Militärs und der Ausrüstung nur 200 Waggons. Für das kommende Jahr sind 4126 eingeplant, was 20 Mal mehr ist", sagte Siwizkij. Er geht davon aus, dass das reale Ausmaß der Militärtransporte im Jahr 2017 noch größer sein könnte. "Ein Teil der Transporte läuft über geheime Ausgabenposten. Deswegen werden nirgendwo genaue Zahlen veröffentlicht", so Siwizkij.

Ihm zufolge hat die weißrussische Führung immer wieder betont, dass alle militärischen Aktivitäten auf dem Territorium ihres Landes von Beobachtern im Ausland nicht als offensiv empfunden werden sollten. Im groß angelegten Manöver 2017 sieht der Leiter des CSFPS deswegen die Absicht des Kremls, "die weißrussische Führung in eine militärpolitische Konfrontation mit der NATO hineinzuziehen".

Russland erhöht seine Kampfkraft

Auch Pawel Felgenhauer von der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta" geht davon aus, "dass das Ausmaß der Manöver gewaltig sein wird". Nach seinen Informationen werden an den gemeinsamen Manövern auch Panzereinheiten beteiligt sein, die per Eisenbahn nach Weißrussland gebracht werden sollen. Felgenhauer vermutet, dass die Anzahl der Teilnehmer an den Manövern "Westen 2017" jene an den Manövern "Kaukasus 2016" deutlich übersteigen könnte.

Im Gespräch mit der DW erinnerte der Experte daran, dass im September 2016 an den Manövern im südlichen Bezirk der Russischen Föderation ursprünglich 12.000 Mann teilnehmen sollten. Später habe Verteidigungsminister Schoigu erklärt, dass 125.000 Militärs und 97.000 Zivilkräfte an den Manövern beteiligt gewesen seien. "Die Kampfkraft der russischen Streitkräfte wird drastisch erhöht, um auf dem europäischen Kontinent einen großen Krieg führen zu können", glaubt Felgenhauer. 

Andrey Porotnikov
Andrej Porotnikow: Weißrussische Führung ist ratlosBild: Privat

"Minsk braucht keine großen Manöver"

Der Leiter des Forschungszentrums "Belarus Security Blog" in Minsk, Andrej Porotnikow, ist überzeugt: Sollte tatsächlich auch bei den Manövern "Westen 2017" in Weißrussland eine so große Anzahl von Militärs und eine so große Menge an Ausrüstung aus Russland eingesetzt werden, dann werde das Manöver als eine Antwort des russisch-weißrussischen Unionsstaates auf die NATO-Manöver "Anakonda 2016" in Polen gewertet werden, an denen 31.000 Mann beteiligt waren.  

Doch an einer solchen Machtdemonstration ist dem Experten zufolge derzeit eher Moskau interessiert. "Minsk braucht keine großen Manöver, da der weißrussische diplomatische Dienst gerade versucht, die Beziehungen zum Westen zu normalisieren", so Porotnikow. Er glaubt, Russland wolle mit den Manövern dem Westen klar machen, dass Weißrussland Moskaus Einflussbereich sei. Dass Minsk auf die vom russischen Verteidigungsministerium angekündigten Militärtransporte im kommenden Jahr gar nicht reagiere, zeige, dass die Führung des Landes einfach nicht wisse, wie sie sich angesichts eines solch dreisten Vorgehens Moskaus verhalten solle. "Der weißrussischen Führung wird deutlich gemacht, dass jeder Versuch einer unabhängigen Außenpolitik eine harsche Reaktion aus dem Kreml zur Folge haben wird", betonte Porotnikow.