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Trauer um Kremlkritiker Nemzow

2. März 2015

Das Entsetzen nach dem Mord am russischen Oppositionspolitiker Nemzow ist groß. Die Opposition muss sich neu sortieren und zugleich an die eigene Sicherheit denken.

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Ein Gedenkmarsch für Nemzow (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/T. Makeyeva

Russland ist nach der Ermordung von Kremlkritiker Boris Nemzow immer noch im Schock. Zehntausende Menschen hatten sich am Sonntag in der russischen Hauptstadt zu einem Trauermarsch für den früheren Vizeregierungschef vereint, der am späten Freitagabend in Sichtweite des Kremls hinterrücks erschossen worden war. Viele fürchten, dass die Tat nie aufgeklärt wird - wie frühere Attentate auf andere Kremlgegner.

Die Beisetzung findet am Dienstag statt

Trauerkundgebungen gab es auch in vielen anderen russischen Städten, darunter St. Petersburg oder Nischni Nowgorod. Der Sarg Nemzows wird im Sacharow-Menschenrechtszentrum aufgebahrt, wo die Menschen nach orthodoxem Brauch Abschied nehmen können. Am Dienstag ist die Beisetzung auf dem Prominentenfriedhof Trojekurowo geplant.

Die Bluttat löste in Russland, aber auch international Entsetzen aus. Am Tatort auf der Großen Moskwa-Brücke legten Menschen am Wochenende unzählige Blumensträuße nieder. Sie stellten Kerzen auf und brachten Ikonen. Auf Plakaten waren Aufschriften zu sehen wie "Ich fürchte mich nicht", aber auch "Ich fürchte mich - wer ist der Nächste?".

Unabhängige Beobachter sprachen von etwa 55.000 Teilnehmern an dem Trauermarsch in Moskau, die Polizei gab die Zahl dagegen nur mit 21.000 an. Die Fahndung nach dem Schützen, für dessen Ergreifung die Behörden eine Belohnung von drei Millionen Rubel (rund 45.000 Euro) aussetzten, verlief bisher erfolglos.

Der Kreml geht von einem Auftragsmord aus. Die Hintergründe der Tat waren auch am Sonntag unklar. Nach Angaben der Ermittler feuerte der Täter aus einer Makarow-Pistole mehrere Schüsse ab. Die vier Schüsse, die Nemzow kurz vor Mitternacht in den Rücken trafen, seien alle tödlich gewesen, hieß es.

Ein Telegramm an die Mutter

Russlands Präsident Wladimir Putin würdigte in einem Beileidstelegramm an die Mutter von Nemzow die Verdienste des früheren Regierungsmitgliedes. "Es wird alles getan, damit die Organisatoren und Täter dieses hässlichen und zynischen Mordes ihrer verdienten Strafe zugeführt werden", schrieb Putin. Er lobte zugleich seinen Gegner und Widersacher als aufrichtigen Menschen. "Boris Nemzow hat seine Spur in der Geschichte Russlands hinterlassen, in der Politik und im gesellschaftlichen Leben."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hofft auf eine rasche Aufklärung der Tat, auch wenn frühere Fälle Zweifel erlaubten, ob das "mit der erforderlichen Transparenz geschehen ist". Eine offene Aufklärung sei die einzige Möglichkeit für Russland, auch jeden Verdacht auf die russische Führung abzulenken, sagte Steinmeier im "Bericht aus Berlin" der ARD.

Nemzow gehörte zu den bedeutendsten Gegnern von Präsident Putin. Nur wenige Stunden vor seiner Ermordung hatte er seine scharfe Kritik am Kremlchef bekräftigt. "Der gewichtigste Grund der Krise ist, dass Putin eine sinnlos aggressive, für unser Land und für viele Bürger tödliche Politik des Krieges gegen die Ukraine begonnen hat", sagte er dem regierungskritischen Sender Echo Moskwy.

Klitschko will Nemzow ehren

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko schlug unterdessen vor, die Straße an der russischen Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt nach Nemzov umzubenennen. "Ich bin dafür, dieses Zeichen zu setzen", schrieb Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. "Als Geste für Boris, dass wir ihn nie vergessen werden. Und in der Hoffnung, dass sich mehr Menschen in Russland für Frieden in der Ukraine einsetzen."

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD) beklagte vor dem Hintergrund des Mordes an Nemzow die riskante Lage für Oppositionelle in Russland. Wer in Moskau dem "System Putin" oppositionell begegne, lebe "nicht ungefährlich", sagte Strässer den "Ruhr"-Nachrichten. "Dass Gegner auf offener Straße erschossen werden, ist eine erschreckende Eskalation", fügte er hinzu. "Es herrscht ein Klima der Angst."

haz/cw (dpa, afp)