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Moskau und Kiew: Neue Positionsbestimmungen im Wahlkampf

14. Juni 2007

Am 7. Juni haben sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg getroffen. Heiko Pleines von der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen bewertet das Verhältnis der Nachbarländer.

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Bild: DW

DW-RADIO/Ukrainisch: Der ukrainische Präsident Juschtschenko sieht in der aktuellen Krise in der Ukraine eine Gefahr für die Demokratie. Er betrachtet sich selbst als Beschützer der Demokratie. Der russische Präsident Putin sagte jedoch unlängst, die Ukraine bewege sich in Richtung Tyrannei. Stehen wir vor einem neuen "Kalten Krieg" zwischen Kiew und Moskau?

Heiko Pleines: Das glaube ich nicht. Wenn man sich anschaut, was Präsident Putin in der letzten Zeit so alles gesagt hat, dann richtet sich seine Polemik nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen - etwas überspitzt formuliert - so ziemlich jedes Land in der Welt. Ich glaube, das ist vielleicht eher der Versuch Putins, sich in der innenpolitischen Debatte vor den großen Wahlen, die jetzt in Russland anstehen, zu positionieren.

Russland hat sich früher bei Wahlkämpfen in der Ukraine heftig eingemischt, besonders beim Präsidentschaftswahlkampf 2004. Danach geschah dies etwas unauffälliger, aber trotzdem war der Einfluss vorhanden. Was ist Ihre Prognose, wie wird es diesmal verlaufen?

Ich glaube, die Russen haben gemerkt, dass sie Janukowytsch nicht weiterhelfen, wenn sie sich massiv einmischen. Das ist nicht in ihrem Interesse. Und Janukowytsch hat dies ganz deutlich gemerkt: Er hat von russischen Wahlkampfmanagern auf US-amerikanische gewechselt. Wenn deutlich wird, dass die russische Seite Janukowytsch auf nicht ganz legitime Weise unterstützt, dann hilft ihm das nicht, der Schuss geht nach hinten los. Deswegen glaube ich, dass sich die Russen zurückhalten werden. Janukowytsch wird darauf auch selbst Wert legen – zumal, wenn man sich die Umfragedaten anschaut. Janukowytsch hat, im Gegensatz zu früheren Wahlen, eigentlich gar nicht viel zu fürchten, weil seine Partei die Wahlen aller Voraussicht nach souverän gewinnen wird.

Mitten im Wahlkampf 2006 hatte Russland die Gaspreise für die Ukraine erhöht. Glauben Sie, dass es auch diesmal dazu kommen könnte? Der russische Botschafter in Kiew hat so etwas vor kurzem angekündigt.

Vieles, was derzeit von russischer Seite gesagt wird, hat mehr mit dem russischen Wahlkampf zu tun als mit dem ukrainischen oder überhaupt mit Außenpolitik. Vor der letzten Parlamentswahl war ganz klar: Die "Orangen" sind an der Macht und sind dafür verantwortlich, wenn etwas "Schlechtes" passiert. Im Moment haben wir aber die Regierung Janukowytsch. Sollten die Russen den Gaspreis jetzt erhöhen, wäre die logische Schlussfolgerung, dass auch ein Janukowytsch nichts dagegen tun kann. Im Wahlkampf wäre das für keine Seite hilfreich und deswegen glaube ich nicht, dass die Russen das tun.

Auch in Russland ist Wahlkampf. Heißt das, dass Russland sich nur mit sich selbst beschäftigt und keine Zeit hat, sich in die ukrainischen Probleme einzumischen?

Das ist nicht so sehr eine Frage der Zeit, sondern der Interessen. Im Wahlkampf ist immer das Publikum zu Hause wichtiger. Alles, was man sagt, sagt man nicht nur zu Juschtschenko, sondern auch gleichzeitig zu den Wählern im eigenen Land oder zu den verschiedenen Interessengruppen, mit denen man es im eigenen Land zu tun hat. Das ist insbesondere in Wahlkampfzeiten so. Sobald es nicht um Projekte geht, die zum beiderseitigen Vorteil sind und bei denen sich beide im jeweiligen Wahlkampf einen Erfolg an die Brust heften können, wird es schwierig. Dann gibt es keinen Grund, Abkommen zu treffen.

Das Gespräch führte Roman Goncharenko
DW-RADIO/Ukrainisch, 8.6.2007, Fokus Ost-Südost