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Moskaus Wünsche, Brüssels Kritik

Bernd Riegert, Brüssel16. Februar 2004

Russland weigert sich, die bisher geltenden Abkommen mit der EU auf die neuen EU-Mitglieder zu übertragen. Die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Brüssel ist schwierig, EU-Diplomaten sprechen sogar von Erpressung.

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Putin will mehr Rechte für Russen in der EUBild: AP


Der Wunschzettel ist umfassend: Russland hat der Europäischen Union (EU) im Januar 2004 eine Liste mit 14 Punkten vorgelegt, die Forderungen nach erhöhten Import-Quoten für Getreide und Stahl enthält. Außerdem solle die EU den Aufbau der russischen Exklave Kaliningrad finanziell fördern, die nach dem 1. Mai 2004 vollständig von EU-Gebiet umschlossen sein wird. Die russischen Bevölkerunggruppen in den neuen EU-Staaten Estland und Lettland sollten mehr Rechte erhalten und russische Bürger sollten visafrei in die EU reisen können. Diese Forderungen hat der russische Außenminister Igor Iwanow in einem Gespräch mit Bundesaußenminister Joschka Fischer Mitte Februar noch einmal bekräftigt.

Ungeklärte Grenzen zu Russland

Die Forderungen aus Moskau werden von EU-Beamten in Brüssel zurückgewiesen. Man könne ja über alles verhandeln, aber es gebe keine rechtliche Verbindung zu den Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der EU. Die Ausdehnung des Geltungsbereiches der seit 1997 bestehenden Verträge mit Russland sei nur eine juristische Formalie. Osteuropäische Diplomaten wurden deutlicher und warfen den Russen Erpressung vor. Sollten bereits ausgehandelte Grenzabkommen mit Lettland und Estland von russischer Seite nicht rechtzeitig ratifiziert werden, drohe, so heißt es bei der EU, nach dem 1. Mai eine rechtlich ungeklärte EU-Außengrenze zu Russland. Polen befürchtet einen drastischen Anstieg der Zölle für nach Russland ausgeführte Waren.

Die EU-Kommission hatte Mitte Februar eine Bestandsaufnahme der Beziehungen zu Russland vorgelegt. Darin wird generell beklagt, dass die Zusammenarbeit mit Russland in den vergangenen Jahren immer schwieriger und ineffektiver geworden sei. Dieser Trend habe alle Politikbereiche erfasst: Vom Dialog über die Stilllegung veralteter Kernkraftwerke, über die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bis zu Menschenrechtsfragen reichen die Konfliktfelder. Hinzu kommen Verstimmungen über die Lage in Tschetschenien, den Yukos-Skandal und die fragwürdigen Ergebnisse der Parlamentswahl in Russland. Insgesamt gebe es "unzureichende Fortschritte in der Substanz", heißt es in Brüssel.

Wust an Bürokratie

"Wir haben unglaublich viele Kommissionen und Ausschüsse, in denen wir mit den Russen zusammen sitzen, aber es kommt einfach nichts dabei heraus. Immer wenn ein Problem entsteht, will die andere Seite noch eine Kommission gründen", jammerte kürzlich ein deutscher EU-Diplomat. Die europäische Handelskammer "Eurochambers" und der russische Verband der Industrie- und Handelskammern hatten im November 2003 moniert, dass der Warenverkehr zwischen Russland und der EU durch unberechenbare Zollprozeduren, technisch veraltete Abfertigung und einen Wust an Bürokratie behindert werde.

Die Europäische Union handelt gegenüber Russland allerdings selbst nicht einheitlich. Während des letzten EU-Russland-Gipfels in Rom nahm der damalige Ratsvorsitzende, Silvio Berlusconi, den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor Kritik in Schutz. Kurz darauf wurde er von den Außenministern der Union gerüffelt. Vom Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im Dezember 2003 ging schließlich der Wunsch aus, eine Bestandsaufnahme der russisch-europäischen Beziehungen zu machen.

Keine besondere Nachsicht

Kreise in der EU-Kommission sagen nun, man wolle gegenüber den jüngsten russischen Forderungen hart bleiben, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, man behandele Putin und seine Mannschaft mit besonderer Nachsicht. Gegenleistungen oder ein Geschäft im Zuge der Osterweiterung der Union werde es nicht geben. Das nächste Gipfeltreffen zwischen dem irischen Ratspräsidenten Bertie Ahern und dem russischen Präsidenten, der vermutlich auch nach den Wahlen Wladimir Putin heißen wird, findet voraussichtlich erst nach der EU-Erweiterung statt.

Im Mai 2003 hatten die EU und Russland bei den pompösen 300-Jahr-Feiern von Sankt Petersburg den Ausbau der Beziehungen auf der Grundlage gemeinsamer Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beschworen. Damals war die Errichtung "gemeinsamer Räume" in der Wirtschafts-, Justiz- und Kulturpolitik vereinbart worden. Da scheint es noch einige Probleme zu geben.