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Motivsuche nach Amoklauf in Lüttich

14. Dezember 2011

Einen Tag nach dem Blutbad in der belgischen Stadt bleibt das Motiv des vorbestraften Waffennarrs unklar. Auf dem Grundstück des Attentäters entdeckte die Polizei jetzt eine Frauenleiche.

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Schild mit der Aufschrift 'Warum' am Attentatsort (Foto: dapd)
Bild: dapd

Die Bluttat hat die ostbelgische Stadt Lüttich nahe der deutschen Grenze in einen Schockzustand versetzt. Unter den Bewohnern herrschen Trauer und Fassungslosigkeit. Sie rätseln über das Motiv des 33-Jährigen, dessen Namen die Behörden mit Nordine Amrani angaben.

Frauenleiche entdeckt

Die versiegelte Tür (Foto: dapd)
Die Wohnung des Attentäters wurde durchsuchtBild: dapd

Bei der Durchsuchung des Wohnhauses und Grundstücks des Amokläufers entdeckten Polizisten am Mittwoch (14.12.2011) die Leiche einer Frau. Die 45-Jährige habe in einem Schuppen gelegen, den der Attentäter anscheinend zum Anbau von Cannabis genutzt habe, sagte der Lütticher Generalstaatsanwalt Cédric Visart de Bocarmé. Die Frau arbeitete als Haushälterin für eine Nachbarin des Amokläufers. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann sie ermordet hat, bevor er sich am Dienstagmittag auf den Weg zum Place Saint-Lambert im Zentrum Lüttichs machte. In einem Rucksack hatte er diverse Handgranaten, ein Sturmgewehr und einen Revolver.

Nach bisherigen Erkenntnissen schleuderte der Attentäter in unmittelbarer Nähe des Weihnachtsmarkts mehrere Handgranaten in einen Unterstand an einer Bushaltestelle, wo viele Menschen warteten. Dann eröffnete er das Feuer auf die Menschenansammlung. Nach neuen Angaben waren zwei Teenager sofort tot. Ein 18 Monate altes Baby starb später im Krankenhaus. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt, mehrere von ihnen schweben noch in Lebensgefahr.

Am nahe gelegenen Justizpalast werden Verletzte versorgt (Foto: dapd)
Am nahe gelegenen Justizpalast werden Verletzte versorgtBild: dapd

Zur Versorgung der Verletzten eilten auch Rettungskräfte aus den Niederlanden herbei. Im Hof des nahegelegenen Justizpalastes unweit des Anschlagsortes wurde eine Notversorgungsstelle eingerichtet.

Attentäter tötet sich selbst

Der Amoklauf löste Panik aus. Menschen rannten um ihr Leben, versuchten sich und ihre Kinder vor den Kugeln und Granaten in Sicherheit zu bringen. Geschäfte und Lokale wurden verbarrikadiert.

Nach seinem Blutbad richtete sich der Attentäter selbst. Staatsanwältin Danièle Reynders teilte unter Verweis auf einen Rechtsmediziner mit, Nordine Amrani habe sich durch einen Schuss in die Stirn getötet. Er habe kein Schreiben hinterlassen. Die Ermittler gehen bislang davon aus, dass er als Einzeltäter handelte. Ein terroristischer Hintergrund ist laut Staatsanwaltschaft nicht erkennbar.

Vorzeitig auf Bewährung entlassen

Nach Reynders Worten war der wegen Sexualdelikten vorbestrafte Attentäter wegen seiner Gewaltdrohungen polizeibekannt. Im September 2008 war er zudem wegen illegalen Waffenbesitzes und dem Anbau von Cannabis-Pflanzen zu knapp fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sicherheitskräfte stellten seinerzeit bei ihm laut Medienberichten 9500 Waffenteile sowie zahlreiche einsatzbereite Schusswaffen sicher.

Im Oktober 2010 wurde Amrani vorzeitig auf Bewährung entlassen. Am Dienstag, dem Tag des Blutbads, sollte er eigentlich zu einer Anhörung bei der Polizei erscheiden, tauchte dort aber nicht auf.

Aus belgischen Kasernen verschwinden Waffen

Brennende Kerze am Attentatsort (Foto: dapd)
Was bleibt sind Fragen und TrauerBild: dapd

Auf welche Weise sich der 33-Jährige nach der Haft wieder umfangreich mit Waffen versorgt hat, gehört zu den Fragen, die noch unbeantwortet sind. Allgegenwärtig in den belgischen Medien ist der Vorwurf an die Justizbehörden: Wie konnte es passieren, dass ein wegen Waffenbesitzes vorbestrafter Mann sich dann doch unerkannt so umfangreich bewaffnen konnte?

Erwartungsgemäß gibt es erste Stimmen, die eine Verschärfung der Waffengesetze fordern. Zwar ist der legale Besitz von Feuerwaffen in Belgien in den vergangenen Jahren verschärft worden, doch der Schwarzmarkt blüht. Die Waffen stammen vor allem vom Balkan und aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Und immer wieder verschwinden auch aus Kasernen der belgischen Streitkräfte Waffen, ohne dass die Fälle aufgeklärt würden.

Wann und ob es Antworten auf die vielen Fragen gibt, muss zunächst einmal offen bleiben. Mit einer Schweigeminute gedenken die Lütticher an diesem Mittwoch der Opfer des Amoklaufs.

Autoren: Susanne Eickenfonder / Christoph Hasselbach (dpa, dapd, afp, rtr )
Redaktion: Marion Linnenbrink