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Mubarak hat die Wahl schon fast gewonnen

Dennis Stute29. Juli 2005

Nach 24 Jahren im Amt will Ägyptens Präsident Mubarak (77) erneut kandidieren. Das Wahlgesetz lässt Gegenkandidaten kaum eine Chance. So sind Mubaraks Aussichten trotz Wechselstimmung und Terroranschlägen glänzend.

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Will im Amt bleiben: Husni MubarakBild: dpa
Demonstration in Kairo
Polizisten umringen im März eine Demonstration gegen eine fünfte Amtszeit Mubaraks in KairoBild: AP

Etwas anderes als ein Boykott kommt für George Ishak bei der ägyptischen Präsidentschaftswahl im September nicht infrage. Denn auch wenn bei der Wahl erstmals Gegenkandidaten zugelassen sind und die Ägypter nicht, wie in den vergangenen 24 Jahren, nur den Namen Husni Mubarak auf dem Wahlzettel finden werden, hält der Koordinator der Oppositionsbewegung Kifaya ("Genug") das neue Wahlgesetz für unzureichend. "Es gibt riesige Hürden für Oppositionskandidaten", sagt Ishak. "Wir werden deshalb vor dem Höchsten Gericht gegen die Verfassungsänderung klagen, denn sie verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz."

Gegenkandidaten haben es schwer

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Eiman Nur, Gründer der Al-Ghad-ParteiBild: AP

Tatsächlich macht es die im Mai mit einem Referendum bestätigte Verfassungsreform Gegenkandidaten äußerst schwer. So müssen sie einer offiziellen Partei angehören - ein Status, über den das Zulassungskomitee befindet. "Das ist eines der wichtigsten Machtmittel der Regierung. Es gibt Parteien, die seit Jahrzehnten um Zulassung kämpfen", sagt Henner Fürtig vom Deutschen Orient-Institut in Hamburg. Die offiziellen Oppositionsparteien gälten als Staffage und seien diskreditiert. Parteilose Kandidaten wiederum brauchen die Unterstützung von mindestens 250 Vertretern des Unter- und Oberhauses sowie der Kommunalräte - Gremien, die ebenfalls von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP) beherrscht werden.

Die Klage von Kifaya könnte durchaus Chancen haben, erklärt Gudrun Krämer vom Institut für Islamwissenschaften der FU Berlin: "Grundsätzlich ist das Verfassungsgericht immer als Verteidiger rechtstaatlicher Grundsätze aufgetreten und hat wiederholt Maßnahmen von Behörden annuliert - auch solche, die vom Präsidenten mitgetragen wurden."

Keine Herausforderer

Fahnen für den Präsident
Unterstützer von Mubarak beim Referendum über die VerfassungsänderungBild: AP

Der 77-jährige Mubarak, der am Donnerstag (28.7.2005) bekannt gab, dass er sich für eine fünfte Amtszeit bewerben will, könnte indessen auch ohne die Behinderungsmechanismen im Wahlgesetz auf einen Sieg hoffen. "Es gibt keinen anderen aussichtsreichen Kandidaten - das ist in einem System, das seit Jahren verhindert, dass man eine Alternative präsentiert, auch nicht anders zu erwarten", sagt Gerd Emil Lieser, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kairo. Nicht nur Gängelung und Repression haben die Formierung einer starken Opposition bislang verhindert. Das Informationsministerium kontrolliert zudem die elektronischen Medien, die angesichts einer Analphabetenrate von mehr als 40 Prozent für viele die einzige Informationsquelle sind. Darüber hinaus hat die NDP in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft ein komplexes Patronagesystem entwickelt, das bis in jedes Dorf reicht. Die NDP verfüge als größte Partei durchaus über eine große Unterstützung in der Bevölkerung, sagt Volker Perthes, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Unter den Oppositionsgruppen habe einzig die verbotene Muslimbruderschaft eine Massenbasis.

Wechselstimmung

Referendum in Ägypten
Eine Ägypterin gibt beim Referendum über die Verfassungsänderung ihre Stimme abBild: AP

Aussichtsreichster Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl sei Eiman Nur, glaubt Perthes. Nachdem Nur im Dezember die Genehmigung erhalten hatte, die Partei "Al-Ghad" (Der Morgen) zu gründen, wurde er Ende Januar festgenommen und für mehrere Wochen inhaftiert. Ihm wurde vorgeworfen, sich die Lizenz zur Parteigründung mit Unterschriftenfälschungen erschlichen zu haben. "Das Regime hat ihm so zu einer Bekanntheit und Popularität verholfen, die er sonst nie gehabt hätte", sagt Perthes. "Wenn sich die Oppositionsparteien verständigen könnten, ihn zu unterstützen, wäre es möglich, ein Zeichen zu setzen." Mehr als einen Achtungserfolg könne Nur bei den Wahlen jedoch nicht erringen.

"Kultur der Angst"

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Eine Frau versucht bei der Verhandlung gegen Eiman Nur das Gerichtsgebäude zu erreichenBild: AP

"Auch wenn derzeit niemand Mubarak herausfordern kann - die Wechselstimmung ist mit den Händen zu greifen", sagt Henner Fürtig vom Orient-Institut und verweist unter anderem auf die Bewegung Kifaya. Mit der im vergangenen Sommer von Intellektuellen gegründeten Gruppe gebe es nun eine Verständigung über die Grenzen der legalen Parteien hinweg. Auch Perthes hält die Entstehung der Bewegung, an der Muslimbrüder, Nasseristen, die Al-Ghad-Partei und weitere Gruppierungen beteiligt seien, für bedeutsam: "Kifaya ist etwas neues und zeigt, dass es in der so genannten Zivilgesellschaft mehr Mut gibt, sich an Themen heranzuwagen, die früher tabu waren." Zwar habe es immer Organisationen gegeben, die sich etwa für Menschenrechte, gewerkschaftliche Fragen oder die Belange von Bauern eingesetzt hätten, aber: "Eine außerparlamentarische Opposition, die sich den Präsidenten selbst vorgenommen hat und sagt: 'Genug!' - das ist ein Sprung, der deutlich macht, dass das Regime verbraucht ist."

Inzwischen habe Kifaya rund 9000 Mitstreiter, sagt der Koordinator George Ishak. Wichtigstes Ziel sei es, die "Kultur der Angst" zu durchbrechen, die viele Ägypter wegen der Gefahr von Verhaftungen oder Misshandlungen davon abhalte, sich zu engagieren - auch wenn die Klage scheitern sollte. "Die Wahl des Präsidenten ist nicht das Ende der Welt", sagt Ishak. "Wir werden unseren Kampf mit allen verfügbaren friedlichen Mitteln weiterführen."