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"Mubarak muss das Land verlassen"

29. Januar 2011

Die Beschwichtigungsversuche des ägyptischen Staatschefs scheinen vergeblich: Obwohl Präsident Mubarak die Regierung entlassen und Reformen angekündigt hat, gehen die Menschen weiter zu Tausenden auf die Straße.

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Demonstranten und Soldaten vor und auf Panzern in Kairo (Foto: AP)
Die Proteste gehen trotz der Truppenpräsenz weiterBild: AP

Es sind die schwersten Proteste seit dem Amtsantritt von Präsident Hosni Mubarak vor drei Jahrzehnten. Doch der 82-Jährige will sich davon nicht beirren lassen und hält weiter an seiner Macht fest. Nach tagelangem Schweigen kündigte Mubarak in der Nacht zum Samstag (29.01.2011) in einer Fernsehansprache die Bildung einer neuen Regierung und mehr Demokratie an. Den Demonstranten gingen diese Zusagen jedoch nicht weit genug.

Zugeständnisse an die Protestbewegung

Die bisherige Regierung ist inzwischen zurückgetreten. Noch an diesem Samstag will Mubarak ein neues Kabinett einsetzen. Außerdem werde es politische und wirtschaftliche Reformen geben - unter anderem versprach der Staatschef mehr Freiheiten für die Bevölkerung und eine unabhängige Justiz. Darüber hinaus sicherte Mubarak ein entschiedeneres Vorgehen gegen Armut und Arbeitslosigkeit zu.

Zugleich kündigte er an, der Staat werde entschieden gegen Gewalt vorgehen. "Gewalt löst nicht unsere Probleme und verwirklicht auch keines der Ziele, die wir anstreben", sagte der Präsident. "Ich werde nicht davor zurückscheuen, jede Maßnahme zu ergreifen, die die Sicherheit eines jeden Ägypters gewährleistet."

Mubarak unter Druck

Ägyptens Präsident bei seiner Fernsehansprache (Foto: Egypt TV/AP)
Mubarak bei seiner TV-AnspracheBild: dapd

Den Protestteilnehmern reichen die Zusagen Mubaraks nicht. Demonstranten sagten Reportern, es sei ihnen egal, ob die Regierung zurücktete. "Mubarak muss das Land verlassen", skandierten die Menschen auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo. Neben einem Rücktritt Mubaraks verlangten sie auch ein Ende der Korruption und Polizeigewalt.

In mehreren Städten gingen die Menschen auch am Samstagmorgen auf die Straße. In den vergangenen Stunden fuhren verstärkt Panzer und Truppentransporter auf, um das vom Regime verhängte Ausgehverbot durchzusetzen. Es wurde jedoch von den Demonstranten schlicht ignoriert.

In Fernsehbildern war zu sehen, wie der Sitz der Regierungspartei in Kairo in Flammen stand. Zuvor brannte bereits in Alexandria der Sitz des dortigen Gouverneurs. Polizeiwachen und Fahrzeuge wurden zerstört.

Schüsse und Plünderungen

Demonstranten vor einem Militärfahrzeug (Foto: AP)
Das Ziel der Demonstranten ist Mubaraks RücktrittBild: AP

Nach Berichten arabischer Fernsehsender gaben Polizei und Armee in Kairo nahe einer Gruppe von Demonstranten Schüsse ab. Über mögliche Opfer lagen zunächst keine Angaben vor.

Randalierer attackierten in der Nacht Hotels und richteten Zerstörungen an, unter anderem im bekannten Ramses Hotel. Laut Anwohnern stürmten Plünderer auch an der Ausfallstraße zu den Pyramiden von Gizeh ein Hotel und verwüsteten mehrere Geschäfte und Restaurants. In mindestens zwei Stadtvierteln soll es zu Gefangenenbefreiungen gekommen sein.

An den Straßen stehen ausgebrannte und zerstörte Wracks von Polizeiwagen. Der öffentliche Nahverkehr in Kairo ist stark eingeschränkt.

Handys teilweise wieder am Netz

Am Samstagmorgen ist der Zugang zum Mobilfunknetz teilweise wiederhergestellt worden. Internetverbindungen gab es aber zunächst weiterhin nicht. Um den Informationsfluss unter den Regierungsgegnern zu stören, hatten die Behörden den Datenverkehr unterbunden.

In der Nacht hatte US-Präsident Barack Obama Mubarak in einem Telefonat aufgefordert, den Zugang der ägyptischen Bevölkerung zum Internet wiederherzustellen.

Mindestens 50 Tote

Ein Soldat neben einer Statue vor dem Ägyptischen Museum
Das Militär ist derzeit omnipräsentBild: dapd

Am Freitag hatte sich auch der Friedensnobelpreisträger und frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Mohammed El Baradei, den Demonstranten in Kairo angeschlossen. Er wurde von einem Wasserwerfer getroffen und suchte Zuflucht in einer Moschee. Später stellten ihn die ägyptischen Behörden unter Hausarrest.

Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften wurden nach jüngsten Berichten landesweit mindestens 50 Menschen getötet, mehr als 2000 wurden verletzt.

Sicherheitskreise rechnen mit einer deutlichen Zunahme der Opferzahlen. Aus den Kranken- und Leichenschauhäusern gehen ständig neue Berichte über Tote und Verletzte ein.

Autor: Thomas Grimmer (afp, dpa, dapd)
Redaktion: Susanne Eickenfonder