1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mugabes Angst vor der Revolution

9. März 2011

Staatliche Gewalt und Einschüchterungen nehmen in Simbabwe zu. Dies geht aus dem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervor.

https://p.dw.com/p/10VpE
Polizisten mit Schlagstöcken gehen in Richtuing der weiblichen Demonstranten (Foto: ap)
Mitte Februar 2011 gehen Polizisten gehen einen Frauendemonstration in Harare vorBild: AP
Logo der Nichtregierungsorganisation Freedom House (Logo: Freedom House)
Studie zu Gewalt von Freedom House

In dem am Dienstag (08.03.2011) vorgelegten Bericht zeichnet Human Rights Watch ein dramatisches Bild. Tiseke Kambala von der Menschenrechtsorganisation sagt: "Folter, Festnahmen ohne offizielle Anklage und Verschleppungen von mutmaßlichen Oppositionsanhängern nehmen enorm zu seitdem Präsident Robert Mugabe erklärt hat, dass er in diesem Jahr Wahlen abhalten will". Auch eine kürzlich von der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Freedom House vorgestellte Studie belegt, dass die meisten Simbabwer nicht das Gefühl haben, frei ihre Meinung äußern zu können. 58 Prozent der 1200 Befragten gaben an, in den letzten zwei Jahren Opfer von staatlicher Gewalt oder staatlichen Einschüchterungsversuchen geworden zu sein.

Wenn DVD schauen als Hochverrat gilt...

Logo von Human Rights Watch (Logo: Human Rights Watch)
Human Rights Watch besorgt über staatliche Gewalt

"In den letzten zwei Monaten hat es enorm viel mehr Festnahmen gegeben", so Kambala. Vor knapp zwei Wochen wurden 45 Simbabwer festgenommen, weil sie sich eine DVD-Dokumentation über die Proteste in Ägypten angesehen hatten. Der Vorwurf: Hochverrat. Sechs der Festgenommenen befinden sich nach wie vor in Einzelhaft. "Die Festgenommenen berichten uns, dass sie langen Befragungen ausgesetzt sind und ihnen zudem mit Stöcken auf die nackten Fußsohlen geschlagen wurde", erzählt Kambala.

Die Liste der Menschenrechtsverletzungen und Festnahmen der vergangenen Wochen sei lang, so Human Rights Watch. Ein Parlamentarier der ehemaligen Oppositionsregierung MDC und 23 weitere Personen wurden beispielsweise verhaftet, weil sie angeblich politisch motivierte Gewalt gesät hätten. "Wir glauben, dass die Regierung sie aus dem Weg haben will", so Kambala.

Wenn ein Treffen von mehr als drei Personen als illegale Versammlung gilt...

Der staatliche Überwachungsapparat funktioniere hervorragend, berichtet der Menschenrechtsanwalt Alex Muchadehama. Nachdem es letzte Woche über Facebook und Twitter Aufrufe zu Massenprotesten nach nordafrikanischem Vorbild gegeben hatte, sei die Botschaft der Regierung ganz klar, erklärt Muchadehama: "Kommt bloß nicht auf die Idee, Proteste ähnlich wie in Nordafrika in Erwägung zu ziehen, oder die Regierung in irgendeiner Weise zu kritisieren, sonst drohen euch willkürliche Verhaftungen, Verschleppungen, Folter, unangenehme Verhöre und extrem lange Untersuchungshaft ohne formelle Anklage".

Kriegsveteranen und regierungstreue Milizen zögen durch die Vororte der Städte und übers Land und verbreiteten Angst und Schrecken. Mehr als drei Personen dürfen nicht beisammen sein, sonst gelte dies als illegale Menschenansammlung. Zudem würden Büros von Nichtregierungsorganisationen regelmäßig willkürlich durchsucht.

Wenn das freie Benutzen von Facebook als Straftat gilt...

Facebook-Logo und Twitter-Logo sind durchgestrichen (Grafik: dw)
Besser Finger weg: die Regierung beobachtet Facebook und TwitterBild: DW

Die Telekommunikationsnetze sind in Simbabwe schlecht ausgebaut und funktionieren wenig zuverlässig. Facebook und Twitter stecken noch in den Kinderschuhen. Aber nicht nur deswegen schätzt die Journalistin Faith Zaba von der Zeitung Sunday Independent in Harare die Chancen, Massenproteste ähnlich wie in Nordafrika auszulösen, als sehr gering ein. "Die Leute in Simbabwe sind so verschüchtert und leben in ständiger Angst, dass nur ganz wenige Facebook benutzen wollen", so Zaba. Viele stiegen aus und schrieben nichts mehr auf Facebook, weil "alle wissen, dass die Regierung die Seiten kontrolliert und beobachtet".

...dann können keine freien und fairen Wahlen stattfinden.

Porträt von Robert Mugabe (Foto: ap)
Will mit allen Mitteln an der Macht bleiben: Robert MugabeBild: AP

Simbabwe steckt seit über 10 Jahren in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise und dennoch ist es noch nicht einmal ansatzweise zu einem Volksaufstand ähnlich wie derzeit in Nordafrika gekommen. Die Frauenrechtlerin Grace Chirenje erklärt das mit einer art Abstumpfung der Zivilgesellschaft. "Es ist ermüdend jeden Tag zu hören, dass wieder jemand verhaftet worden ist, oder dass schon wieder jemand verschwunden ist oder ermordet wurde", sagt die junge Frau. Diese Ermüdungserscheinungen in der Gesellschaft seien besorgniserregend. Das Problem sei, so Chirenje, dass Simbabwer um ihr Leben fürchteten, wenn sie etwas gegen die Regierung sagen und daher "dem Geheimdienst zuzuarbeiten eine Überlebensstrategie geworden ist".

In diesem Umfeld Wahlen durchzuführen wäre fatal, urteilt Human Rights Watch, denn es würde Robert Mugabes 31-jährige Herrschaft zementieren und legitimieren. Die Forderung der Menschenrechtler lautet daher: "Keine Wahlen in diesem Jahr". Zuerst müssten ein genauer Ablaufplan vorliegen, solide Vorbereitungen für Wahlen getroffen und eine neue Verfassung in Kraft sein, sagt Tiseke Kambala Kambala von Human Rights Watch. Zudem sollten Südafrika und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika SADC die Vorgänge in Simbabwe "scharf verurteilen".

Autor: Dagmar Wittek
Redaktion: Marco Müller