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Multikulti in Dax-Vorständen

6. August 2009

Viele deutsche Dax-Konzerne verdienen große Teile ihres Geldes weltweit, und auch die Aktionäre und Anteilseigner kommen nicht nur aus Deutschland. Aber: Wie sieht es auf den Chefsesseln aus - sitzen dort auch Ausländer?

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Der Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Werner Wenning (Foto: dpa)
Neben dem Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG sitzen nur DeutscheBild: picture-alliance/dpa

"In den Führungsetagen sitzen nur weiße Männer. Unsere 600 Spitzenmanager sind vorwiegend weiße deutsche Männer. Wir sind zu eindimensional." Das beklagte Peter Löscher, Chef bei Siemens, im vergangenen Jahr. Wie aber sieht es in diesem Jahr aus? Das untersuchte die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners aus Bonn.

Der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG Peter Löscher (Foto: AP)
"Vorwiegend weiße deutsche Männer" in Vorständen beklagt Siemenschef Peter LöscherBild: AP

Folgt man Peter Löschers Meinung, sieht es in einigen Vorständen düster aus - oder genauer gesagt: zu weiß und zu männlich. Unter ihnen die Chefetagen des Chemieriesen Bayer, des Energiekonzerns E.ON und des Stahlkonzerns ThyssenKrupp, denn auf ihren Stühlen sitzen ausschließlich deutsche Männer. Insgesamt haben zehn der 30 Dax-Unternehmen gar keinen Ausländer im Vorstand. Schaut man sich den Durchschnitt aller Dax-Konzerne an, sieht das aber schon etwas besser aus: Denn mehr als ein Viertel der Vorstandsposten ist mit einem Ausländer besetzt.

Deutsche Konzerne gut positioniert

Christoph Lesch (Foto: Simon-Kucher & Partners)
Christoph Lesch von der Unternehmensberatung Simon-Kucher & PartnersBild: SIMON - KUCHER & PARTNERS

Christoph Lesch, Berater bei Simon-Kucher, findet, dass die deutschen Konzerne damit im Vergleich zu anderen in Europa eigentlich ganz gut aufgestellt sind. Zwar säßen in einigen Ländern mehr Ausländer in den obersten Führungsgremien, aber man müsse auch schauen, warum, meint Lesch. "Zum Beispiel hat in Luxemburg ein argentinisches Unternehmen seinen Hauptsitz und deshalb haben sie dort gleich mehrere Argentinier in den Vorständen der obersten Börsenunternehmen."

In anderen europäischen Ländern, die etwa so groß wie Deutschland sind, ist es dagegen für Ausländer wesentlich schwieriger, in den Chefsessel zu kommen. Und - unbegrenzte Möglichkeiten hin oder her - auch in den USA, selbst eine kulturell vielfältige Nation, hält man sich meist an US-Amerikaner, wenn es Spitzenposten zu besetzen gilt.

Deutschland ist exportorientiert und offen

In Deutschland dagegen orientiert man sich viel mehr am Ausland - hängen doch viele Unternehmen stark am Exportgeschäft. Dadurch sei Deutschland sehr viel offener als einige andere Länder, meint Lesch, auch gegenüber anderen Sprachen. "In deutschen Unternehmen wird im internationalen Vergleich ein sehr gutes Englisch gesprochen, und da hinken Länder wie Spanien und Frankreich hinterher." Das macht es für einen ausländischen Manager natürlich schwierig, vernünftig mitzuarbeiten, wenn er die Landessprache nicht sehr gut beherrscht.

Entwicklung der letzten Jahre

Ausländer in deutschen Vorständen - das gab es nicht immer im heutigen Ausmaß. Noch im Jahr 2000 kamen lediglich 13 Prozent der Dax-Vorstände aus dem Ausland. In den folgenden sechs Jahren ist der Anteil dann erheblich gestiegen, nämlich auf rund 24 Prozent. Seit dem hat sich allerdings kaum etwas verändert: Der Anteil liegt in diesem Jahr bei 26 Prozent. "Erst, wenn die Unternehmen, die bis heute keinen Ausländer in ihrem Vorstand haben, dazu übergehen, den ein oder anderen ausländischen Manager zu berufen, werden wir sehen, dass der Anteil auf über 30 Prozent ansteigen kann." Mehr als 40 Prozent werden es aber wohl nicht werden, glaubt Lesch.

Grafik: Ausländeranteil auf Vorstandsebene der 30 DAX-Unternehmen (Quelle: Simon-Kucher & Partners)
Bild: Simon - Kucher & Partners

Bis zu einem gewissen Niveau sei es für einen Vorstand befruchtend, wenn dort unterschiedliche Mentalitäten einfließen. "Stellen Sie sich den kühlen analytischen Deutschen, den etwas visionäreren Amerikaner und dann einen etwas temperamentvollen Südeuropäer vor. Aber wenn die Mischung zu bunt wird, kann das kontraproduktiv sein für die Entscheidungsfindung." Denn je höher der Anteil von Ausländern im Vorstand ist, je mehr kulturelle Vielfalt in so einem Gremium ist, desto schwieriger wird es dann auch sein, einen Konsens zu finden.

Vorstände aus kulturell nahem Ausland

So ist es wenig erstaunlich, dass die Hälfte der Ausländer, die sich in den höchsten Dax-Etagen befinden, aus der Schweiz, aus Österreich oder den USA kommt. Alles doch Nationen, die der deutschen recht ähnlich sind. Die andere Hälfte kommt aus 14 weiteren Ländern. Immerhin gibt es in diesem Jahr auch drei Manager aus den Wachstumsregionen in Asien und Südamerika: der Taiwanese James C. Wei bei Beiersdorf, der Inder Anshu Jain bei der Deutschen Bank und der Brasilianer Antonio Roberto Cortez bei MAN. Allerdings haben auch diese drei vorher eine Ausbildung und Berufsstationen in den USA hinter sich gebracht.

Ausländische Vorstände in den 30 DAX-Unternehmen (Quelle: Simon-Kucher & Partners)
Bild: Simon - Kucher & Partners

Eines der wenigen Unternehmen, die es geschafft haben, über Jahre einen Vorstand mit vielen Ausländern zu haben, ist Fresenius Medical Care, sagt Lesch. Allerdings scheint das Unternehmen das nicht im Blick der Öffentlichkeit haben zu wollen, denn auf Nachfrage in der Presseabteilung werden nähere Informationen zur Herkunft der Vorstände verweigert.

Autor: Insa Wrede

Redaktion: Rolf Wenkel