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Muss Rahman in die Psychiatrie?

24. März 2006

Der Prozess gegen den von der Todesstrafe bedrohten Christen Rahman könnte nach Angaben eines afghanischen Ministers wegen "Unzurechnungsfähigkeit" platzen. Unterdessen wächst der internationale Druck weiter.

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Abdul RahmanBild: AP
Der Richter des Oberstes afghanischen Gerichts Ansarullah Mawlavezada hält eine Bibel Fall Abdul Rahman der zum Christentum übergetreten ist
Der Richter Ansarullah Mawlavezada mit der Bibel RahmansBild: AP

"Auch im Islam ist die Rechtslage so, dass ein Angeklagter im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte sein muss. Das trifft auf Herrn Rahman aber nicht zu", sagte der afghanische Wirtschaftsminister Amin Farhang dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Freitag (24.3.2006). Ein Richter habe festgestellt, dass Rahman "geistig nicht ganz in Ordnung" sei. "Deshalb muss er psychiatrisch behandelt werden. Ich hoffe und vermute, dass die Sache so ausgeht." Die afghanische Regierung arbeite daran, zu einer friedlichen und guten Lösung zu kommen.

Unterdessen wächst der Druck auf den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai weiter. US-Außenministerin Condoleezza Rice drängte Karsai in einem Telefongespräch dazu, das Verfahren gegen Rahman rasch und "positiv zu Ende zu bringen". Rice habe den Präsidenten in "sehr deutlichen Worten" um eine Lösung gebeten, berichtete der Sprecher des US- Außenministeriums, Sean McCormack, am Donnerstag (23.2.2006) in Washington. Rahman droht wegen seiner Abkehr vom Islam die Todesstrafe.

"EU wird nichts unversucht lassen"

Nach Angaben der kanadischen Regierung versicherte Karsai, dass Rahman nicht hingerichtet wird. Dies habe Karsai ihm bei einem Telefonat zugesagt, sagte Kanadas Ministerpräsident Stephen Harper am Donnerstag. Er habe Karsai angerufen, um seine Besorgnis über den Fall Rahman auszudrücken. Karsai habe ihm gesagt, er müsse nicht über eine Hinrichtung besorgt sein.

Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik übte scharfe Kritik an dem Prozess. Es könne "nicht angehen, dass jemand für ein grundlegendes Menschenrecht wie die Religionsfreiheit vor Gericht steht und mit der Todesstrafe bedroht wird", betonte die amtierende Ratsvorsitzende am Freitag. Die EU-Präsidentschaft werde "nichts unversucht lassen, um die Grundrechte von Abdul Rahman zu wahren und sein Leben zu retten".

Warnung vor einer Zuspitzung

Der Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents in Afghanistan, Christof Munzlinger, warnte unterdessen vor einer Zuspitzung des Streits. Die Sicherheitslage habe sich trotz vieler Erfolge bei der Demokratisierung und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert, sagte Munzlinger der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe). "Wir sollten in der angespannten Situation nicht mit verbalen Attacken gegen die Regierung von Hamid Karsai die Situation noch verschlimmern", fügte er hinzu. "Einen zweiten Karikaturenstreit brauchen wir nicht." Die Regierung in Kabul sollte "eine Chance bekommen, das Problem mit dem Christen-Prozess selbst zu lösen", forderte der Kommandeur. Forderungen deutscher Politiker nach einem Abzug der Truppen aus Afghanistan nannte Munzlinger "wenig hilfreich".

Bush "sehr besorgt"

US-Außenministerin Rice war am Mittwochabend überraschend zum zweiten Mal in dieser Woche mit dem afghanischen Außenminister Abdullah Abdullah in Washington zusammengetroffen. Dabei sei auch der Fall Rahman erörtert worden, sagte McCormack. Es sei wichtig, dass "die fundamentalen Grundsätze der Religions- und Meinungsfreiheit" gewahrt werden. US- Präsident George W. Bush, der in Afghanistan ein positives Beispiel für die Ausbreitung von Demokratie und Freiheit in der Welt sieht, hatte sich am Mittwoch "sehr besorgt" über den Fall Rahman geäußert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstag ebenfalls mit Karsai telefoniert. Im Anschluss äußerte sie sich verhalten optimistisch. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass auf afghanischer Seite "der feste Wille besteht", internationale Verpflichtungen einzuhalten. "Ich hoffe, dass wir zu einer Lösung kommen." Im Falle eines Todesurteils für Rahman müsste Präsident Karsai die Vollstreckung anordnen. (stu)