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Mut ist zu geben, wenn alle nehmen

5. April 2014

„Denn wie der Tod größte Macht hat, das Leben zu nehmen, so ist die Liebe die höchste Macht, es zu retten.“ P. Hans Peter von der katholischen Kirche deutet dieses Wort von Augustinus für den Misereor-Sonntag.

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Aktionsplakat und Hungertuch

„Herr, er riecht aber schon“ (Jo. 11,39): plastischer kann man es wohl nicht ausdrücken, dass er wirklich tot ist, Lazarus, der Freund Jesu, von dem im Evangelium des fünften Fastensonntags bei Johannes die Rede ist. Und es ist ja auch schon der vierte Tag, dass er im Grab liegt. Biblisch gesehen ist es immer der dritte Tag, an dem Gott eingreift: „auf erstanden am dritten Tage gemäß der Schrift“, wird es im frühchristlichen Bekenntnis zur Auferstehung Jesu heißen. Dieser Tag ist hier vorbei, und es ist nichts geschehen. Tot ist eben tot – und die Welt bleibt wie sie ist.

Dass die Welt nicht so bleibt wie sie ist, dafür begehen katholische Christen am heutigen Sonntag in Deutschland den Misereor-Sonntag; die evangelischen Christen haben ihre Aktion „Brot für die Welt“. Das Motto des Misereor-Sonntags in diesem Jahr lautet: „Mut ist zu geben, wenn alle nehmen“. „Wenn alle nehmen“, das darf in diesem Zusammenhang, wo es um „Brot für die Welt“ geht, durchbuchstabiert werden zu „wenn alle zu sich nehmen“: Speise und Trank, alles, was die Natur und menschliches Mühen für den Menschen bieten. Misereor will uns dahinführen, dass es nicht beim „Zu sich nehmen“ bleibt, sondern dass „dem anderen geben“, konkret gesprochen „zu essen geben“, seinen entsprechenden Platz bekommt. Ein Augustinus Wort führt das Misereor-Wort und das heutige Evangelium zusammen: „Denn wie der Tod größte Macht hat, das Leben zu nehmen, so ist die Liebe die höchste Macht, es zu retten.“

Essen – viel mehr als Fastfood

Der Tod mit seiner Macht, das Leben zu nehmen, steht nicht erst am Ende eines Lebens, er macht sich immer wieder dort breit, wo es nur noch um das „Zu sich nehmen“ geht und der andere in seiner Bedürftigkeit aus dem Blick gerät. Für viele ist Essen und Trinken zu einer „Fastfood“-Angelegenheit geworden, schnell, gedankenlos, mit all den bekannten unangenehmen Folgen für einen selbst, aber mehr noch für andere.

In jüdisch-christlicher Tradition ist das Tischgebet ein Moment der Entschleunigung, der daran erinnert, dass das, was da auf dem Tisch steht, was gegessen und getrunken werden will, Gabe des Schöpfers ist.

Der jüdische Talmud sagt: Wer etwas isst, ohne des Schöpfers zu gedenken, macht sich einer Unaufrichtigkeit schuldig. Er tut so, als gehöre ihm die Speise und der Trank. Wenn es aber Gabe des Schöpfers ist, dann ist es für alle bestimmt, nicht nur für mich und meinen kleinen Kreis. Das Tischgebet ist immer wieder so eine kleine Übung der Grenzüberschreitung über den Tellerrand hinaus: Speise und Trank als Gabe des Schöpfers, nicht nur für mich, vielmehr für alle.

Eine Liebe, die lebendig macht

Im heutigen Evangelium von der Auferweckung des Lazarus heißt es an einer Stelle, dass Jesus weinte und die Umstehenden sagen: Seht, wie lieb er ihn hatte (Jo. 11, 36). Die Liebe macht Lazarus lebendig. Die Liebe ist die höchste Macht, das Leben zu geben. Das Misereor-Wort „Mut ist zu geben, wenn alle nehmen“, ist ein Wort gegen den Tod, den Tod, den viele sterben, weil sie ganz einfach nichts zu essen haben. Und das eben auch deshalb, weil alle – zumindest aber doch viel zu viele - nehmen, schnell, gedankenlos. Das heutige Evangelium, der Misereor-Sonntag, das Tischgebet: das alles geht gegen den Tod: gegen den Tod, gegen das selbstbezogene Nehmen und Zu sich nehmen. Es geht um den Gott des Lebens, der seine Menschen liebt und der will, dass wir mitlieben. In Misereor-Sprache: geben, wenn alle nehmen. Das ist mutige Liebe. Da hat der Tod, die Welt, wie sie nun mal ist, nicht das letzte Wort.

Die Liebe macht Lazarus lebendig, weil alleine sie Macht hat, Leben zu retten, nicht nur das des Lazarus, nicht nur am Misereor-Sonntag, nein mutige Liebe, die gibt, wenn alle nehmen, brauchen wir überall und jederzeit – ganz einfach: um der Menschen willen.

Zum Autor:

Pater Hans Peters SVD, Steyler Missionar, Goch
Pater Hans Peters SVDBild: DBK

P. Hans Peters SVD gehört seit 1967 dem Orden der Steyler Missionare an, in dem er in vielen verschiedenen Funktionen gewirkt hat und bis heute wirkt. Dazu gehörten in der Vergangenheit zum Beispiel Jugendarbeit, die Tätigkeit als Novizenmeister, das Rektorat des Missionshauses St. Michael in Steyl (Niederlande). Seit 2008 arbeitet er der gefragte Seelsorger und Lebensberater als Wallfahrtsseelsorger in Goch am Niederrhein. Seit 1994 schreibt er regelmäßig für die christliche Familienzeitschrift „Stadt Gottes“.