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Mut zur Psychologie

Oliver Samson8. April 2006

Nun ist die Katze aus dem Sack: Nach langem Anlauf hat sich Jürgen Klinsmann für Jens Lehmann als Torhüter der deutschen Nationalmannschaft entschieden. Eine mutige, richtige und vorhersehbare Entscheidung.

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Das Duell ist entschiedenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Jürgen Klinsmann hat mit der Beförderung Lehmanns einmal mehr Mut bewiesen. Denn die Entscheidung pro Lehmann ist natürlich die Entscheidung gegen Oliver Kahn - gegen den "Titanen", gegen den Helden der letzten WM. Und Kahn hat eine enorm starke Lobby. Hinter dem Ausgebooteten stehen Bayern München, Franz Beckenbauer und die "Bild"-Zeitung - viel mächtigere Feinde kann man sich als Bundestrainer gar nicht machen.

Die Füße im Weg

Doch Klinsmann hat sich noch nie viel aus starken Widersachern gemacht. Seinen Erneuerungskurs hält er konsequent durch und scheut sich nicht denen auf die Füße zu treten, die im Wege stehen. Sich wie einst Erich Ribbeck einen alternden Spieler in die Mannschaft schreiben zu lassen, käme ihm nie in den Sinn.

Die Klinsmannschen Neuerungen sind nun also auch auf der Position angekommen, auf der Deutschland sicher am besten von allen besetzt ist. Ob der Wechsel rein sportlich Sinn macht, ist kaum zu beurteilen. Kahn und Lehmann sind fraglos beide Weltklassetorhüter, einen wirklichen Leistungsunterschied zu sehen trauen sich auch wirkliche Experten kaum zu.

Vom Spott zum Triumph

Doch Klinsmann ging es bei seiner Entscheidung nicht nur darum, wer wie und wann aus dem Tor herauskommt und den Ball festhält. Der Bundestrainer setzt bei der WM schließlich explizit auch auf Psychologie - und diesbezüglich liegt Lehmann weit vorn. Der Torhüter erlebt momentan vielleicht das absolute Hoch seiner Karriere. Er spielt bei Arsenal London - einer jungen Mannschaft, die nach den Worten ihres Trainers Arsène Wenger vor wenigen Monaten noch "ausgelacht" wurde. Doch in diesem Jahr zieht das junge ausgelachte Arsenal im Triumph durch die Champions-League. Mit Jens Lehmann im Tor.

Vom Spott zum Triumph - ein Weg, den Klinsmann mit der deutschen Nationalmannschaft auch nur zu gerne gehen würde. Mit Lehmann im Tor. Ob er der bessere Torhüter ist, wird sich nie beweisen lassen. Auch nicht nach der WM. Aber Lehmann ist der Torhüter, der fraglos besser zur Nationalmannschaft der Ära Klinsmann passt.

Der richtige Zeitpunkt

Klinsmann hat die Entscheidung pro Lehmann nun um einige Wochen vorgezogen - was dafür spricht, dass der Bundestrainer schon länger den Herausforderer favorisierte. Denn wenn dem deutschen Fußballvolk die Beförderung Lehmanns zur Nummer 1 im Tor zu verkaufen ist, dann jetzt - auf Lehmanns absolutem Karrierehoch und nicht vielleicht nach den nächsten Spieltagen, an denen er vielleicht nach langer Zeit mal wieder patzen könnte.