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Mythos Beethoven

26. August 2008

Er war schwerhörig, immer übelgelaunt, und konnte nicht mit Frauen. Ein Bild, wie geschaffen für eine romantisch verklärte Verehrung - der einsame, leidende aber natürlich geniale Künstler.

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Das 1819 entstandene Gemälde von Josef Stieker zeigt Ludwig van Beethoven beim Komponieren der Messe "Missa solemnis"
Ludwig van Beethoven - Gemälde von Josef StiekerBild: dpa

Einer Bediensteten warf er zuerst ein paar Bücher an den Kopf und dann einen Sessel. Von Reue keine Spur: "Dafür hatte ich den ganzen Tag Ruhe." Und als ein Fürst einmal meinte, statt dreier Fagotte würden doch auch zwei reichen, antwortete er: "Wenn eure Durchlaucht die Instrumente so besetzen, so scheiß’ ich drauf." Angestellte, der Adel, seine Verleger - alle bekamen ihr Fett weg. Einer seiner Biographen nannte Beethoven das "derbe Genie".

"Van Beethoven, Hirnbesitzer"

So stellte sich der Maler Carl Rohling 1887 die Begegnung von Goethe und Beethoven mit der kaiserlichen Familie 1812 in Teplitz vor
So stellte sich der Maler Carl Röhling 1887 die Begegnung von Goethe und Beethoven 1812 in Teplitz vorBild: Public Domain

Das meiste, das wir über Beethoven wissen, wissen wir aus Briefwechseln und seinem Tagebuch. Ganz anders als sein Zeitgenosse Goethe, mit dem er sich nicht gut verstand, ist Beethoven jede Selbststilisierung fremd. In seinen Briefen schreibt er über die Schlechtigkeit der Leute und über die Standesschranken, die ihm den Kontakt mit angebeteten Damen verwehren. Er inszeniert sich nicht als überragenden Edelmenschen, selbst Freunde belegt er mit Kraftausdrücken. Als sein Bruder einmal ein Stück Land erwarb und mit "van Beethoven, Gutsbesitzer" unterzeichnete, antwortete Ludwig: "van Beethoven, Hirnbesitzer". Fürst Lichnowsky, einem seiner Gönner und Förderer schrieb er: "Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich; Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben; Beethoven gibt's nur einen."

Beethoven für alle

Dieses Portrait malte Willibrod Joseph Maehler um 1815, als Beethoven etwa 45 Jahre alt war
Dieses Portrait malte Willibrod Joseph Maehler um 1815, als Beethoven etwa 45 Jahre alt warBild: AP

Beethovens Briefe, sein Tagebuch sind wie ein Steinbruch aus dem man sich letztlich das herausholen kann, was man gerade braucht. Es gibt Aussprüche von ihm, die politisch auf eine revolutionäre Gesinnung, andere, die auf eine elitäre Haltung schließen lassen.

Das, verknüpft mit seiner neuen musikalischen Ästhetik, führte dann später zu teils absurden Versuchen der Vereinnahmung: Die Neunte Symphonie erklang 1937 zu Hitlers Geburtstag. Und auch die Nachricht von Hitlers Tod wurde im Radio von der Neunten Symphonie untermalt. Doch schon vorher, in der Weimarer Republik, der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, wurde Beethoven politisch instrumentalisiert. Die Rechte betonte seine vermeintliche Franzosenfeindschaft und sah in ihm eine "titanische Kämpfernatur". Die Linke setzte den revolutionären Charakter seiner Musik mit ihrer politischen Wirkung gleich. Etwas, was sich in der DDR fortsetzte: Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Beethoven in den Dienst der DDR-Propaganda gestellt - Beethoven als Kämpfer für den Weltfrieden.

Launischer Künstler?

Beethoven selbst konkrete politische Ziele zu unterstellen, ist jedoch vollkommen überzogen. Zu unterschiedlich war das, was er gesagt hat. Beethoven ging es um neue Wege in der Musik – Wege mit denen er übrigens blendend verdiente. Bekannt war Beethoven für seinen Geschäftssinn. Trotzdem lebte er in einem verfallen Haus in der Nähe von Wien und achtete kaum auf sein Äußeres. Auf seine Zeitgenossen muss Beethoven vollkommen unkonventionell gewirkt haben. Beethoven blieb Junggeselle, er lebte für die Musik - vormittags komponieren, nachmittags spazieren, mittags gut essen. In der Wahrnehmung vieler setzte sich bis heute das Bild des musikalisch überragenden aber menschlich schwierigen Künstlers fest - untermalt durch die vielen hundert Gemälde und Büsten, mit einem wild frisierten und ernst dreinblickenden Beethoven. Vergessen wird dabei jedoch oft der Anteil, den seine große Tragödie daran hat – seine Taubheit.

Ludwig van Beethoven in den Dreißigern, 1802 gemalt von Christian Hornemann
Ludwig van Beethoven gemalt von Christian HornemannBild: PD

Beethovens Taubheit

Beethoven ist knapp über dreißig Jahre alt, als klar ist, dass er die sich verschlimmernde Schwerhörigkeit nicht mehr verbergen kann. Ein tauber Musiker? "Meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort", schreibt er. Beethoven denkt an Selbstmord, zieht sich von den Menschen zurück. Er schreibt sogar einen Abschiedbrief, den er allerdings nicht abschickt. Darin findet sich einer der bekanntesten Sätze Beethovens über sich selbst: "Oh ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch und misanthropisch haltet, wie unrecht tut ihr mir."

Autor: Ramon Garcia-Ziemsen

Redaktion: Gudrun Stegen