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Müntefering statt Schröder

Heinz Dylong 6. Februar 2004

Der Machtwechsel in der SPD ist eine überraschende Entwicklung, die dennoch eine Reaktion auf die Lage der Partei ist. Dass die sich nachhaltig bessert, ist jedoch nicht gesagt. Heinz Dylong kommentiert.

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Franz Müntefering soll es richten: Der Vorsitzende der
SPD-Bundestagsfraktion wird nun wahrscheinlich auch in das Amt des Parteichefs der größten deutschen Regierungspartei gewählt. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das Handtuch geworfen. Nach kaum fünf Jahren gibt er das Amt auf, das ihm nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines geradezu natürlicherweise zugefallen war. Darum gerissen hatte sich Schröder schon damals nicht, aber wer anders als der Kanzler hätte es machen sollen?

Heute lautet die Antwort also: Franz Müntefering. Und diesmal ist es vielleicht weniger eine zwangsläufige Entscheidung als vielmehr eine logische Folge der von Mitgliederschwund und Wahlniederlagen geprägten Lage
der Partei.

Eine emotionale Bindung zwischen Schröder und der SPD-Basis ist nie entstanden. Und das wurde nur noch dadurch unterstrichen, dass die Reformpolitik des Kanzlers auf deutlichen Unmut an der Basis stieß. Die soziale Gerechtigkeit bleibe auf der Strecke, so die oft zu hörende Kritik. Daran wird sich in der Sache auch unter einem
Parteichef Müntefering nichts ändern.

Doch an dem vom Kanzler festgestellten Vermittlungsproblem könnte sich etwas ändern. Der sprichwörtlich loyale Fraktionsvorsitzende hat ohne Zweifel größere Chancen, in die Partei zu wirken - Müntefering findet an der Basis nicht nur pflichtgemäßes Gehör wie Schröder, sondern auch Sympathie. Idealtypisch kann sich daraus die Arbeitsteilung ergeben, die sich der Kanzler für den Fortgang der Reformen wünscht. Müntefering wirkt nach innen, wirbt um die Zustimmung der SPD, Schröder macht die Reformpolitik.

Gleichwohl läßt sich Politik nur schwer am Reißbrett entwerfen. Und da mag Müntefering noch so loyal zum Kanzler sein, als Parteivorsitzender wird er mit neuer und stärkerer Autorität ausgestattet sein - nicht zuletzt gegenüber dem Kanzler. Daran knüpfen sich dann aber auch Erwartungen. Denn der Basis wird jedenfalls auf Dauer allein das neue Gesicht an der Spitze nicht genügen. Gerade die murrende Parteibasis wird von einem Parteivorsitzenden Müntefering auch erwarten, dass er Einfluss auf die Regierungspolitik nimmt. Und das wird vermutlich unbequemer für Schröder. Mit Müntefering als Fraktions- und Parteichef steht nun ein echtes zweites innerparteiliches Schwergewicht neben dem Kanzler.

Offen ist auch die Wirkung auf die breite Öffentlichkeit, die sich - glaubt man den Umfragen - zunehmend von der SPD abwendet. Das ist eine Wirkung der Reformpolitik, an der sich, so Gerhard Schröder, ja nichts ändern soll. Ein neuer Parteivorsitzender allein wird vor diesem Hintergrund wenig bewirken können.

Die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament und in diversen Bundesländern werden für die SPD deshalb nicht besser ausgehen. Allerdings könnte Müntefering
auf die klassische Wählerschaft der Sozialdemokraten motivierend wirken - nur dass das nicht genügen wird, um die Wahlen zu Erfolgen für die SPD zu machen.

Mit dem Verzicht auf den SPD-Vorsitz nimmt Schröder Abschied von einem ungeliebten Amt. Wirklich schwer fallen dürfte ihm das nicht, allerdings hat er eine Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz selbst immer als problematisch betrachtet. Mit dem loyalen Franz Müntefering könnte es funktionieren, allzu sicher sollte sich Gerhard Schröder dabei aber nicht sein.