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Nächster Schritt zur Finanztransaktionssteuer

Christoph Hasselbach22. Januar 2013

Einige Länder der Europäischen Union sind strikt dagegen, den Handel mit Finanzprodukten zu besteuern. Doch die Befürworter wollten sich nicht aufhalten lassen und haben beschlossen, allein voranzugehen.

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Börsen-Chart (Foto: AP)
Bild: AP

Eine Finanztransaktionssteuer in einem Teil der Europäischen Union rückt näher. Eine Gruppe von elf Ländern hat beschlossen, im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit damit voranzugehen. Ein Versuch, die Steuer in der gesamten EU einzuführen, war vor einigen Monaten gescheitert. Vor allem Großbritannien und Schweden waren dagegen, weil sie Wettbewerbsnachteile fürchteten. Die verstärkte Zusammenarbeit bedeutet nun, dass ihre Ablehnung nicht mehr automatisch zum Scheitern eines solchen Vorhabens führt. Neben Deutschland und Frankreich wollen bisher Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei mitmachen. Doch es steht allen übrigen EU-Staaten frei, später dazuzustoßen.

Der Ratsvorsitzende, der irische Finanzminister Michael Noonan, warnte aber vor zu hohen Erwartungen, was das Tempo angeht: "Heute geht es darum, einen Prozess in Gang zu setzen. Es ging nicht um den Inhalt einer Finanztransaktionssteuer." Vorschläge zur Ausgestaltung muss jetzt die Kommission machen. Dabei wird es auch um die wichtige Frage gehen, wohin die Einnahmen fließen sollen. Erst wenn die teilnehmenden Länder einstimmig den Details zustimmen, kann die Steuer eingeführt werden.

Kommission vermutet riesige Einnahmenschätze

EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta jubelt nach der Einigung über einen "Meilenstein" für Europa. Er sagt Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe voraus. Gleichzeitig nutzte Semeta die Gunst der Stunde, um bei den Mitgliedsstaaten für seine Vorschläge im Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung zu werben.

Eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift 'Finanztransaktionssteuer jetzt' hoch (Foto: dapd)
Viele Politiker sehen sich im Einklang mit der BevölkerungBild: dapd

Dieser Kampf trage eine doppelte Dividende: "Er kann nicht nur helfen, einen Teil der eine Billion Euro zurückzuholen, die uns jährlich an öffentlichen Einnahmen verlorengehen, er sorgt auch für eine gerechtere Besteuerung von Personen, Unternehmen, auf nationaler und globaler Ebene." Kritiker bezweifeln allerdings, dass die Zahlen wirklich so hoch sind, sowohl die zu erwarteten Einnahmen aus der Transaktionssteuer als auch die beim Thema Steuervermeidung.

Die Panik ist vorbei

Unterdessen macht sich bei der Finanzministerrunde eine gewisse Entspannung breit. Selbst der schwedische Ressortchef Anders Borg, der früher oft über angeblich reformunwillige Südländer hergezogen ist, zeigt sich zufrieden: "Jeder hat das Gefühl, dass sich die Dinge zum besseren verändern, dass die Länder das tun, was sie tun sollten, auch Griechenland. Hoffen wir also das Beste."

EU-Währungskommissar Olli Rehn freut sich ebenfalls, die existentiellen Probleme der Währungsunion seien Vergangenheit, die Spannungen auf den Finanzmärkten hätten nachgelassen, und das Vertrauen kehre langsam zurück. Doch er warnt vor Selbstzufriedenheit: "Bei mehr als 26 Millionen arbeitslosen Europäern und wo Unternehmen immer noch Schwierigkeiten haben, an Kredite zu kommen, ist klar, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben."

Rehn ist auch dafür, dass Irland und Portugal ihre Hilfskredite später zurückzahlen müssen als ursprünglich vereinbart. Nachdem Griechenland günstigere Bedingungen eingeräumt bekam, wollten auch diese beiden Länder profitieren. Nicht jeder helfende Staat ist aber bereit dazu. Rehn sagte, es liege nicht nur im Interesse der beiden Länder, "sondern auch der gesamten Europäischen Union, dass Irland und Portugal sich wieder über den Kapitalmarkt refinanzieren können." Über die Frage wird aber wohl erst im März entschieden.

Spanien fühlt sich benachteiligt

Der spanische Finanzminister Luis de Guindos hat inzwischen erläutert, warum er als einziger am Montagabend (21.01.2013) in der Eurogruppe dem Niederländer Jeroen Dijsselbloem die Zustimmung verweigert hat, Nachfolger von Jean-Claude Juncker zu werden. Das habe nichts mit Dijsselbloem als Person oder dessen Politik zu tun, sagte de Guindos. Spanien sei aber in den europäischen Institutionen unterrepräsentiert, und das sei "ungerecht". De Guindos versprach aber, sein Land werde "eng und sehr freundschaftlich mit der neuen Präsidentschaft zusammenarbeiten, weil wir alle in einem Boot sitzen."

Luis de Guindos (Foto: Reuters)
Luis de Guindos: "Spanien ist unterrepräsentiert"Bild: Reuters

Viele vermuten jedoch, die Spanier hätten mit ihrer Enthaltung auch dagegen protestieren wollen, dass Länder mit der Top-Bonität AAA die meisten entscheidenden Finanzposten in der EU halten und angeblich Vertreter schwächerer Länder gezielt verdrängen. Die starken Länder bestreiten zwar eine solche Strategie. Doch offenbar fühlt sich Spanien gedemütigt. Und die jüngsten Meldungen dürften diesen Eindruck eher bestätigen. Spanien ist nicht nur trauriger Rekordhalter bei der Jugendarbeitslosigkeit mit 57 Prozent, noch vor Griechenland. Die Kommission warnte jetzt auch erneut, das Land weiche von den anvisierten Konsolidierungszielen ab. Vor einigen Monaten hatte die Kommission das Defizitziel Spaniens bereits offiziell nach hinten verschoben.