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Na dann, gute Nacht!

22. November 2009

Kinder sind Gewohnheitstiere. Vor allem abends, wenn es gilt, die kleinen Monster ins Bett zu bringen. Viele Eltern setzen deshalb auf Rituale: Lieder singen, Vorlesen, ab unter die Decke. Ein Hausbesuch in Köln, 19 Uhr.

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Kinder-Schlafzimmer (Foto: DW)
Hort der Ruhe? Erst wenn die Kleinen im Bett liegen...Bild: Kinderhospiz Bärenherz

Wenn es draußen kalt und dunkel wird, beginnt drinnen das Zu-Bett-Gehen. Es ist ein langes Ritual - ein altes Ritual - das nicht nur einfach darin besteht, ins Bett zu gehen und die Augen zu schließen. Oft zieht es sich über Stunden hin, meistens ist es unspektakulär und manchmal auch ein kleines Drama - in drei Akten.

Erster Akt: Das Abendessen

Kind unter der Decke beim Lesen (Foto: bildbox.com)
Schlafen gehen? Nö, noch nicht...Bild: bilderbox

Der Abendbrottisch in der Küche von Familie Scharlach ist gedeckt. Die beiden Eltern sitzen am Tisch und hantieren mit Brötchen, Käse, Wurst; zu Trinken gibt es Apfelsaft. Der einjährige Sohn Caspar windet sich in seinem Kinderstuhl, sein Bruder Albert, vier Jahre alt, hat interessantere Dinge zu tun, findet er. Irgendwann sitzen dann doch alle am Tisch - die Eltern unterhalten sich über die Ereignisse des Tages, die Kinder immer im Blick. Es ist jetzt halb sieben, spätestens in zwei Stunden sollen die Kinder im Bett liegen und schlafen. Der vierjährige Albert ist inzwischen mit einem halben Brötchen im Mund auf den Schoß seines Vaters geklettert, der wiederum hält mit einer Hand den Stuhl des jünsten Sohns fest. Müde ist hier noch niemand.

Kinder sind kleine Spießer

Kinder ins Bett bringen erfordert Geduld, Fingerspitzengefühl und eine ausgeklügelte Strategie. Ratgeber noch und nöcher wurden dazu geschrieben. Auch bei Familie Scharlach steht der Klassiker im Regal: "Jedes Kind kann schlafen lernen", geschrieben von dem Kinderarzt Hartmut Morgenroth. Ein berühmt-berüchtigter Bestseller, der empfiehlt mit Ritualen schon im Babyalter zu beginnen. Denn: Kinder sind konservative Spießer, sie lieben Wiederholungen, bestehen geradezu auf das Immergleiche. Das fängt schon früh an.

Sandmännchen? Das war früher

Abendessen, Schlafanzug anziehen und dann noch ein bisschen Fernsehen, so sieht das Ritual bei Familie Blankenmeier in der Nachbarwohnung aus. "Sandmännchen haben wir früher immer gekuckt, ganz, ganz viel, stimmt's Helena? Weißt du noch?" – "Mhm." "Ganz, ganz viel. Und dann irgendwann ist man da raus aus dem Sandmännchen." Bei den Blankenmeiers geht es ruhiger zu. Der Vater ist noch nicht vom Arbeiten zurück und die Schwester der sechsjährigen Helena ist im Ferienlager. Mutter und Tochter sitzen am Küchentisch und basteln Weihnachtsbaumschmuck. Gemeinsam reden sie über den Tag. "Das Ins-Bett-Gehen ist bei uns eher unspektakulär", sagt die Mutter und lacht. "Ganz normal eben." Normal heißt hier: Bis sie etwa fünf Jahre alt war, hat Helena das Sandmännchen geschaut, jetzt kuckt sie lieber Kindernachrichten um kurz vor acht. Das ist erwachsener, findet sie.

"Mama bring mir noch dies, Mama bring mir noch jenes"

Junge liegt auf seinem Bett (Foto: picture-alliance)
"Liest du mir noch was vor?" Wer im Bett liegt, will noch nicht schlafenBild: picture-alliance / KPA/Kuttig

Wenn nicht spektakulärer, so doch ein bisschen lauter, geht Familie Bender ins Bett - zumindest heute. Im vierten Stock wohnt Paul, drei Jahre alt, mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester - noch ein Baby. Der Vater bringt die schreiende Kleine ins Bett - die Mutter kümmert sich um Paul. "Paul bleibt öfter noch ein bisschen wach, wenn er einen aufregenden Tag hatte, dann braucht er schon lange, bis er abschalten und einschlafen kann", sagt sie und schaut zu, wie ihr Sohn mit zwei Laternen in der Hand durch die Wohnung rennt.

Zweiter Akt: Zähneputzen

Heute hatte Paul so einen aufregenden Tag - nach dem Kindergarten ging es noch zum St. Martins-Umzug. "Dann liegt er im Bett und ruft, 'Mama bring' mir noch das, Mama bring' mir noch jenes, Mama komm zum Händchenhalten'." Während sie erzählt, fährt sie dem kleinen Paul durch die blonden Haare und lächelt. Dann greift sie ihn gekonnt unter die Arme und trägt ihn ins Bad: "So, Zähneputzen." Der zweite Akt des abendlichen Rituals. Paul umklammert die kleine Zahnbürste, steckt sie in den Mund und erzählt seiner Mutter, was heute so passiert ist, im Kindergarten. Zähneputzen? Nun ja.

Dritter Akt: Vorlesen

Ein Wecker steht am Bett eines schlafenden Jungen. (Foto: AP )
Dann: Ruhe. Endlich.Bild: AP

Unten bei Familie Scharlach bringt Alberts Vater den kleinen Bruder ins Bett. "So Ruhe jetzt!", ruft er in die Wohnung und meint damit den anderen Sohn, der gerne nochmal ins Zimmer hereinspaziert, wenn das Baby am Einschlafen ist. Er schließt die Tür und fängt an zu singen: "Der Mond ist aufgegangen..." Nach drei Strophen schläft das Kind.

Albert turnt in seinem Bett herum und hört ein Hörbuch. Bis sein Vater sich auch um ihn kümmert. "So, Knabe, zack, zack." Der Ton ist gespielt ernst, es geht schließlich um die eigene Freizeit, die beginnt, wenn die Jungs im Bett liegen. Es ist jetzt schon nach acht, höchste Zeit, dass auch Albert ins Bett kommt. Akt Nummer drei: Vorlesen. Der Vater blättert im Buch, zwei Kapitel aus dem Kinderbuchklassiker "Urmel und der Vulkan" liest er seinem Sohn vor - dann klappt er das Buch zu. "Noch eins!", murmelt Albert aus seinem Bett heraus. "Nein, jetzt ist Schluss." Der Vater schaltet ein Hörbuch an und geht raus. Noch ziemlich lange ist die dumpfe Stimme aus den Lautsprecherboxen durch die Zimmertüre zu hören - doch dann, irgendwann, ist es still. Endlich.

Autorin: Elena Singer

Redaktion: Sabine Oelze