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Na endlich! Eine Frau soll Präsidentin werden

3. Juni 2010

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat gute Chancen, die neue erste Frau im Staat zu werden. Ein großer Schritt in Punkto Gleichberechtigung, meint Adrienne Woltersdorf.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Erfolg in Deutschland kommt längst feminin daher. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel das Sagen hat, haben sich die Bürger der Bundesrepublik daran gewöhnt, dass die Worte "Frau" und "Macht" in einem Satz genannt werden. Längst ist klar: Frau macht was - und das macht sie eigentlich so gut oder so mittelmäßig wie ihre männlichen Zeitgenossen. Was mächtige Frauen bislang weniger unter Beweis stellten, war ihr Wille zur Förderung ihrer Geschlechtsgenossinnen.

Angela Merkel geht auch hier mit gutem Beispiel voran. Die Kanzlerin will eine Frau für das höchste Amt der Bundesrepublik nominieren. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen soll das Bundespräsidialamt übernehmen. Sie wäre damit das zehnte deutsche Staatsoberhaupt und die erste Frau in diesem Amt.

Adrienne Woltersdorf (Foto: DW)
Adrienne Woltersdorf, Leiterin des chinesischen Programms der Deutsche WelleBild: M. Urbach

Na endlich! Schon mehrfach hatten Grüne und Sozialdemokraten Kandidatinnen für das Schloss Bellevue, dem Amtssitz des deutschen Staatsoberhauptes, vorgeschlagen. Die letzte Kandidatin, Gesine Schwan, scheiterte nach zweimaligem Anlauf knapp, was viele bedauerten.

Deutschland, ein Land, dass sich in Punkto Gleichberechtigung, nicht mit Ruhm bekleckert hat, zeigt sich heute erfolgreich weiblich. Da ist die Kanzlerin. Da ist Lena, die strahlende Gewinnerin des Eurovision Songcontest. Da ist Steffi Graf, eine der erfolgreichsten Tennisspielerinnen aller Zeiten. Da ist Sarah Wiener, eine europaweit erfolgreiche Unternehmerin und Berliner Spitzenköchin und natürlich die Publizistin Alice Schwarzer, die diese Entwicklung vielleicht am lautesten eingefordert hat.

Jede junge Frau in Deutschland hat damit weibliche Rollenvorbilder, von denen ihre Mutter nicht einmal träumen konnte. Von den Merkels, den von der Leyens, und den Grafs können junge Frauen lernen, dass sich ein bisschen kämpfen durchaus lohnt. Auch, dass Verbündete auf dem Weg nach oben notwendig sind und dass Männer bereit sind, Frauen im Job zu respektieren - auch wenn das oft genug erst errungen werden muss.

Dass Frauen oft frischen Wind in die alten Spielregeln mitbringen, das zeigte am vergangenen Wochenende die 19-jährige Eurovison-Siegerin Lena. Fern davon perfekt, super talentiert oder ein Vamp zu sein, eroberte sie die Herzen Europas. Auch das ist ein Stück Normalisierung im Geschlechterkampf.

Doch die Freude über den Einzug des Weiblichen in die Schaltzentralen kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie triste es unten, in den Maschinenräumen der Republik aussieht. Während oben alles im Flusse ist, scheint unten alles in Beton gegossen. Noch immer ist die Armut in Deutschland weiblich. Noch immer verdienen Männer mehr als Frauen. Noch immer ist der Chef ein Mann und das Pflegepersonal weiblich. Allen Entwicklungsstudien und Wettbewerbsstrategien zum Trotz - Deutschland ist beim Thema Gleichberechtigung kein Vorbild. So verdiente noch im letzten Jahr eine Frau in Deutschland pro Stunde 23 Prozent weniger als ein Mann.

Noch immer verstecken sich Großkonzerne hinter wirkungslosen Chancengleichheitsrezepten. Anstatt nach kreativen Lösungen zu suchen, die einseitigen Karriere-Strukturen aufbrechen könnten, wird gerne auf die Frauen gezeigt, die angeblich nicht wollen. Dabei ist in 85 Prozent der deutschen Familien die Haus- und Familienarbeit Sache der Frau.

Nun bleibt zu hoffen, dass die erfolgreichen Frauen sich nicht damit zufrieden geben, es selbst geschafft zu haben.

Autorin: Adrienne Woltersdorf
Redaktion: Kay-Alexander Scholz