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Na endlich!

Rolf Wenkel5. Juni 2003

Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen gesenkt. Der maßgebliche Zinssatz wurde um 0,5 Prozentpunkte auf zwei Prozent vermindert. Rolf Wenkel kommentiert.

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Es war eine überfällige Entscheidung, und es ist eine richtige Entscheidung, die der Europäische Zentralbankrat am Donnerstag (5.6.2003) gefällt hat. Die wirtschaftliche Großwetterlage hätte eigentlich nahe gelegt, einen solchen Zinsschritt schon viel früher zu machen. Denn ihr oberstes Ziel, die Preisstabilität, hat die EZB bereits erreicht. Die Jahresteuerungsrate ist in der Euro-Zone im Mai mit 1,9 Prozent wieder unter jene Marke von 2 Prozent gesunken, die die EZB stets als Zielmarke verkündet hat.

Und vieles deutet darauf hin, dass die Inflationsraten in Euroland auch dauerhaft unter 2 Prozent bleiben. Dafür sorgt unter anderem die schwache Konjunktur: In Zeiten geringer Nachfrage lassen sich keine Preiserhöhungen durchsetzen. Dafür sorgt aber auch der starke Euro: Durch ihn wird der Einkauf von Rohstoffen und Energie für die europäische Industrie billiger, was ebenfalls inflationsmindernd wirkt. Das wirtschaftliche Umfeld für einen solchen Schritt war schon längst reif, der Spielraum für eine solche Entscheidung war
vorhanden - und jede andere Entscheidung hätte an den Finanzmärkten dieser Welt eine maßlose Enttäuschung ausgelöst.

Allerdings hat die Europäische Zentralbank auch etwas von einer launischen Diva, die es gar nicht gerne sieht, wenn ihr Politiker Vorschriften machen wollen. Schließlich ist sie, genauso wie ihr Vorbild, die Deutsche Bundesbank, eine unabhängige Institution, die ihre geld- und währungspolitischen Entscheidungen selbstständig und
unbeeinflusst fällen will.

Und Beeinflussungsversuche hatte es in den vergangenen Tagen genug gegeben - zuletzt von Politikern des G-8-Gipfels in Evian und vom Internationalen Währungsfonds, die alle mehr oder weniger direkt und deutlich von der EZB gefordert hatten, sie solle nun angesichts der geringen Inflationsrisiken endlich ihren Beitrag zu mehr Wachstum leisten. So hätte es durchaus sein können, dass die EZB allein als Trotzreaktion auf die Einflüsterungen von Politikern ihre Zinssentscheidung noch einmal aufschiebt.

Nun haben die Märkte das, was sie wollten, der Ball ist sozusagen ins Feld zurück gespielt. Die Banken können sich leichter refinanzieren, die Wirtschaft kann sich günstiger mit Geld für Investitionen versorgen, vielleicht kommt sogar der Verbraucher in den Genuss von günstigeren Kreditzinsen. Gleichzeitig hat die EZB das Zinsgefälle zwischen Europa und den USA verringert. Der niedrigen Realzins in den USA im Vergleich zu Europa hat ja unter anderem dafür gesorgt, dass der Euro in den vergangenen Wochen gegenüber dem Dollar fast 30 Prozent an Wert gewonnen hat.

Zudem hat die EZB den Finanzmärkten eine andere Soge genommen - die Deflationsangst. Die Aussichten auf fallende Preise, die eine Abwärtsspirale auslösen könnten, sind durch diese kräftige Zinssenkung erst einmal vom Tisch.

Der Ball ist zurück im Feld, nun ist die Wirtschaft dran, ihn aufzunehmen. Die EZB hat ein besseres Umfeld für mehr Wachstum geschaffen - aber sie kann es nicht selbst generieren. Sie allein kann keine Konjunktur ankurbeln, kann keine Arbeitsplätze schaffen. Das müsen die Investoren, die Verbraucher schon selbst machen - durch mehr Konsum, durch mehr Investitionen. Die Tränke ist voll - saufen müssen die Pferde schon selbst.